Die Demokratische Partei der Völker (HDP) hat Strafanzeige gegen die türkische Behörde für Informations- und Kommunikationstechnologie (BTK) gestellt. Sie wirft der Behörde, die dem Verkehrsministerium unterstellt ist, vorsätzliche und fahrlässige Tötung, Amtsmissbrauch, die gezielte Störung des Betriebs von Informationssystemen und die Aushebelung des Rechts auf Kommunikation vor. Hintergrund der Anzeige ist eine Sperre des Kurznachrichtendienstes Twitter.
Am Mittwoch hatten die türkischen Behörden den Zugang zu Twitter gedrosselt. Ankara setzte die Beschränkung in Kraft, um die Betreiber zu einem strengeren Vorgehen gegen „Desinformation“ in Kommentaren nach dem Erdbeben zu bewegen, hieß es von offizieller Seite. Am frühen Montagmorgen hatte ein Beben der Stärke 7,7 das türkisch-syrische Grenzgebiet erschüttert, gefolgt von einem weiteren Beben der Stärke 7,6 am Mittag. Allein in der Türkei wurden bis zuletzt über 20.000 Tote gezählt.
Noch während die Rettungsaktionen liefen, wurde die Regierung von Staatschef Recep Tayyip Erdogan scharf kritisiert. Sie habe zu spät auf die Katastrophe reagiert und selbstorganisierte Hilfe verhindert oder stark eingeschränkt. Auch habe sie es versäumt, ein funktionierendes Frühwarnsystem aufzubauen. Außerdem seien Bauvorschriften für erdbebensichere Häuser, die nach dem schweren Beben in Izmit 1999 beschlossen wurden, nicht eingehalten worden. Die naheliegende Vermutung: Die Regierung wollte durch die Twitter-Sperre Kritik an ihrem Katastrophenmanagement unterdrücken und alternative Rettungsmaßnahmen erschweren. Erst ab Donnerstag war der Dienst ohne Tunneldienste (VPN) wieder erreichbar.
Dabei sind soziale Medien wie etwa Twitter gerade in Krisenzeiten ein wichtiger Kanal zur alternativen Informationsgewinnung. Und gerade beim Erdbeben erwies sich Twitter für viele Menschen, die von der Katastrophe heimgesucht wurden, als lebensrettend, da Standorte von Verschütteten darüber geteilt wurden und Hilfe organisiert wurde. Darauf macht auch die HDP in ihrer Strafanzeige aufmerksam: „Unzählige Menschen, die unter Trümmern auf ihre Rettung warteten, teilten ihren Aufenthaltsort, ihren Gesundheitszustand und andere wichtige Informationen mittels Twitter mit. Auf diese Weise konnten sie erreicht und geborgen werden.“
Es steht außer Frage, dass das Internet und Plattformen sozialer Medien bei Katastrophen wie Erdbeben von entscheidender Bedeutung sind, so die HDP. „Doch anstatt den Zugang zu Kommunikationsmitteln wie diesen zu erleichtern, ihren Anwendungsbereich zu erweitern und zu beschleunigen, hat die BTK Gegenteiliges getan und damit gegen nationale Gesetze und Vorschriften verstoßen.“ Um die Verantwortlichen zu ermitteln und entsprechende rechtliche Schritte einzuleiten, fordert die HDP von der Generalstaatsanwaltschaft Ankara die Erhebung einer öffentlichen Klage.