„Angst und Panik verbreitet“ – Festnahmen wegen Online-Beiträgen nach Erdbeben

Die türkische Polizei hat im Zusammenhang mit Beiträgen in Online-Netzwerken nach dem schweren Erdbeben im Südosten des Landes 37 Personen festgenommen. Zehn von ihnen seien auf Anordnung der zuständigen Staatsanwaltschaften verhaftet worden.

Die türkische Polizei hat im Zusammenhang mit Beiträgen in Online-Netzwerken nach dem schweren Erdbeben im Südosten des Landes 37 Personen festgenommen. Sie hätten Beiträge geteilt, „mit dem Ziel, Angst und Panik unter der Bevölkerung zu verbreiten“, teilte die Generaldirektion der Polizei am Freitag mit.

Um welche Beiträge es sich genau handelte, war unklar. Zehn der Festgenommenen seien verhaftet worden, so die Polizei. Zudem seien knapp drei Dutzend Webseiten geschlossen worden, weil die Betreibenden die „Gutmütigkeit“ von Spendenwilligen ausnutzten und sich etwa Spendengelder erschwindeln wollten.

In der Türkei sind in den vergangenen Jahren 95 Prozent der Medien direkt oder indirekt unter die Kontrolle der Regierungspartei AKP von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan gekommen. Soziale Medien wie etwa Twitter sind daher ein wichtiger Kanal zur alternativen Informationsgewinnung. Am Mittwoch war der Kurznachrichtendienst in der Türkei zwischenzeitlich gesperrt und konnte nur noch durch Tunneldienste (VPN) erreicht werden.

Die Organisation Netblocks, die für die Beobachtung von Internetsperren bekannt ist, berichtete über die Beschränkung durch mehrere Internetanbieter. Dabei ist der Dienst für manche Menschen im wahrsten Sinne des Wortes zurzeit überlebenswichtig. Standorte von unter Schutt begrabenen Menschen werden darüber geteilt, es wird Hilfe organisiert. Die naheliegende Vermutung: Die Regierung will durch die Zensur Kritik an ihrem Krisenmanagement unterdrücken und alternative Rettungsmaßnahmen erschweren.

Viele Erdbeben-Opfer klagen über mangelnde oder vollkommen fehlende Hilfe bei Bergungsarbeiten. In den Provinzen mit einem hohen alevitischen und/oder kurdischen Bevölkerungsanteil wie etwa Hatay, Semsûr (tr. Adıyaman), Meletî (Malatya) und dem Epizentrum Markaz (Pazarcık) waren die Menschen lange auf sich alleine gestellt und noch immer gibt es Bezirke, Dörfer und Siedlungen, die von der staatlichen Hilfe noch nicht erreicht wurden.

Videokonferenz mit Twitter-Managern

Der türkische Vizepräsident Fuat Oktay wies die Kritik von sich und sprach von „technischen Problemen“. Dabei führte der türkische Verkehrsminister Ömer Fatih Sayan am selben Tag eine Videokonferenz mit den beiden Twitter-Managern John Hughes und Ronan Costello durch. Inhaltlich soll es dabei laut oppositionellen Medienberichten um die Forderung der türkischen Regierung gegangen sein, die Konten regierungskritischer Medienschaffender und anderer Oppositioneller zu sperren. Twitter habe die Pflicht, die Verbreitung von Desinformation zu verhindern, weil sie zu Panik und Chaos führen könne, sei die Ansage an die Manager gewesen.

Später am Tag bestätigte das Kommunikationsbüro Erdogans dann die Sperre. Um gegen „Beiträge im Internet und kriminelle Aktivitäten durch diese Beiträge“ vorzugehen sowie im Rahmen des elektronischen Nachrichtengesetzes habe die Behörde für Informations- und Kommunikationstechnologie (BTK) die Nutzung eingeschränkt. Das Konto der linken Nachrichtenagentur ETHA (Etkin Haber Ajansı) ist seitdem in der Türkei nur noch über VPN erreichbar.