Bei dem Erdbeben vom 30. Oktober in der Ägäis haben in Izmir in der Westtürkei 107 Menschen ihr Leben verloren, 1027 Personen wurden verletzt. Von den Verletzten befinden sich noch 144 Personen im Krankenhaus. In den Trümmern von vier eingestürzten Häusern werden die Rettungsarbeiten fortgesetzt. Seit Freitag wurden nach Angaben der türkischen Katastrophenschutzbehörde 1528 Nachbeben registriert, 44 davon hatten mindestens die Stärke 4.
Zuletzt ist nach 91 Stunden die dreijährige Ayda G. lebend aus den Trümmern eines Wohnhauses geborgen worden. Ein großer Teil der Bevölkerung von Izmir harrt weiterhin in Zelten aus. In den vom Erdbeben betroffenen Gebieten macht sich ein Mangel bei der Koordination der Hilfeleistungen bemerkbar. Die Demokratische Partei der Völker (HDP) hat im Viertel Manavkuyu im stark zerstörten Bezirk Bayrakli ein Koordinationszentrum eingerichtet.
Abdülkadir Baydur ist als Ko-Vorsitzender des HDP-Verbands Izmir seit Freitag im Erdbebengebiet unterwegs und weist auf die schweren Folgen durch Baumängel und fehlende Kontrollen hin. Der HDP-Politiker macht das Profitdenken im Baugewerbe für die Toten verantwortlich. Die Menschen, mit denen er gesprochen habe, seien sehr wütend und wollten wissen, was mit der erhobenen Erdbebensteuer gemacht worden ist.
Baydur sieht jedoch auch eine große Hilfsbereitschaft und Solidarität unter den Menschen. Die eigentlichen Probleme stünden allerdings noch aus: „Man muss wissen, dass der eigentliche Bedarf der Erdbebenopfer erst nach der Beseitigung der Trümmer offensichtlich werden wird. Das größte Problem ist die Unterbringung der Menschen, die ihre Wohnungen verloren haben. Wo sollen diese Leute bleiben? Diese Frage hören wir dauernd. Ansprechpartner bei dieser Frage ist natürlich die Regierung. Als HDP bemühen wir uns aus Solidarität, einen Teil des Bedarfs zu decken. Unseren Beobachtungen nach brauchen hunderttausend Menschen eine Unterkunft. Der Winter naht, was soll bei Regen und Kälte aus den Menschen in den Zelten werden? Ob die Regierung sich darum kümmert, wissen wir nicht. Nur zu offiziellen Besuchen anzureisen und anzukündigen, dass das Notwendige getan wird, reicht nicht aus. Es muss auch bedacht werden, welche dringenden Bedarfe in einer Woche bestehen werden.“
Mitglieder der HDP in Izmir haben ihre Wohnungen für Erdbebenopfer geöffnet. Außerdem werden Sachspenden gesammelt und weitergeleitet. Wie Besriye Tekgür, die andere Ko-Vorsitzende des HDP-Verbands, ausführt, soll das jetzt gegründete Koordinationszentrum den Bedarf feststellen und die Verteilung der Spenden besser organisieren. „Wir arbeiten mit kollektiver Solidarität, damit die Hilfe überall ankommt. Es fehlen weiterhin Zelte, Heizungen und Strom. Wir haben ein weiteres Mal feststellen müssen, dass nicht das Erdbeben, sondern die Bauweise die Menschen getötet hat. Es gibt menschliche Verluste wegen der Geldgier einer Handvoll Leute“, so die HDP-Politikerin.