HDP-Initiative zur Untersuchung des Massenmords von 1955

Der HDP-Abgeordnete Garo Paylan hat eine parlamentarische Initiative eingereicht, die den türkischen Staat in die Pflicht nimmt, sich für das Pogrom vom September 1955 an der griechischen, armenischen und jüdischen Bevölkerung der Türkei zu entschuldigen.

Der HDP-Abgeordnete Garo Paylan fordert eine parlamentarische Initiative zur Ermittlung der Täter des Pogroms vom 6.–7. September 1955, eine Untersuchung zum Ausmaß des Verlusts von Leben und Besitz sowie konkrete Schritte zur Konfrontation des türkischen Staates mit seiner Geschichte.

Was war geschehen?

Paylan sagt: „Das Pogrom vom 6.–7. September stellte einen weiteren Schritt in der Zerstörung der Minderheitsgesellschaften in der Türkei dar. Seitdem sind 63 Jahre vergangen, aber die türkische Republik hat weder das Geschehene offiziell verurteilt, noch Schritte für eine Entschädigung oder Entschuldigung unternommen.“

Im Antrag Paylans heißt es: „Das Pogrom vom 6.–7. September 1955 zählt zu den grausamen Ereignissen in der Geschichte der Republik Türkei, denen sich diese immer noch nicht gestellt hat. Nach offiziellen Angaben wurden allein in Istanbul 73 Kirchen, acht orthodoxe heilige Quellen, zwei Klöster und 5.538 Häuser und Läden geplündert und zerstört. 3.584 davon gehörten der griechischen Minderheit. Ebenfalls nach offiziellen Angaben wurden sechzig Frauen vergewaltigt und viele Menschen ermordet. In vielen verschiedenen Forschungen zum Thema wurde festgestellt, dass die realen Zahlen allerdings wesentlich höher gewesen sind, als die in den Dokumenten angegebenen. Außerdem waren nach dem Pogrom Zehntausende unserer Mitbürger*innen gezwungen, aufgrund der Unterdrückung und weil sie um ihr Leben fürchten mussten, das Land zu verlassen.

Beim Pogrom vom 6.–7. September 1955 wurden in Istanbul und Izmir, aber auch an vielen anderen Orten, der Besitz der griechischen, armenischen, jüdischen aber auch sonstigen christlichen Bevölkerung geplündert, die Frauen vergewaltigt, die Priester geschlagen, die Friedhöfe verwüstet und viele Menschen ermordet. Dieses Datum hat sich in die Geschichte der Schande der Türkei eingebrannt. Die Täter erhielten, wie bei den meisten der schlimmen Ereignisse in der Geschichte der Türkei, keine Strafe. Im Gegenteil, sie haben statt Strafen Beförderungen erhalten. Der Verantwortliche für die Einrichtung zur Untersuchung der Mobilisierung [Seferberlik Tetkik Kurulu] Sabri Yirmibeşoğlu, der am 6.–7. September im Dienst war, sagte: ‚Der 6.–7. September war eine Arbeit des Amtes für besondere Kriegsführung [Özel Harp]. Es war eine wunderbare Organisierungsarbeit. Sie hat ihr Ziel erreicht.‘ Er stieg in der Hierarchie immer weiter auf und war von 1988–1990 der Generalsekretär des Nationalen Sicherheitsrats (MGK). Der Täter, der die Lunte für das Pogrom entzündete, war Oktay Engin. Er warf eine Bombe in das Haus von Atatürk in Selanik. Er hatte seine Karriere als Student der juristischen Fakultät von Selanik begonnen und wurde in den Jahren 1992–1993 zum Gouverneur der Provinz Nevşehir.“

Es gab keine Strafe, sondern Auszeichnungen“

Paylan hebt hervor, dass die Türkei die Täter nicht bestraft, sondern ausgezeichnet hat: „Die Beförderungen und die Immunität, welche die in den Mord an Hrant Dink, dem Gründer der Zeitung Agos, im Jahr 2007 verwickelten Personen erhalten haben, sind frische Beispiele dafür, dass diese Politik weitergeht.“