HDP fordert zum Handeln für Gefangene in der Türkei auf

In den letzten drei Monaten sind neun Menschen in türkischen Gefängnissen ums Leben gekommen. Die HDP-Politiker:innen Feleknas Uca und Hişyar Özsoy fordern den Europarat dringend zum Handeln auf.

Die Demokratische Partei der Völker (HDP) macht auf die lebensgefährlichen Zustände in den Gefängnissen in der Türkei aufmerksam und fordert die internationale Gemeinschaft zum Handeln auf. Die Sprecher:innen für auswärtige Angelegenheiten, Feleknas Uca und Hişyar Özsoy, erklären zu den Todesfällen in türkischen Gefängnissen:

Wir haben die internationale Gemeinschaft bereits über die sich verschlechternde Situation kranker Gefangener in der Türkei informiert. Die Gefängnisse sind nach wie vor Zentren der Misshandlung und Folter. Laut der Erklärung der Gefängniskommission des Menschenrechtsvereins IHD vom 14. Dezember 2021 haben seit Anfang 2020 mindestens 59 kranke Gefangene ihr Leben verloren, darunter sieben, die kurz nach der Aussetzung der Vollstreckung ihrer Strafe starben. Laut der Erklärung des IHD vom 19. November 2021 gibt es mindestens 1569 kranke Gefangene, von denen 591 schwer krank sind. Die Zahl der kranken Gefangenen hat sich in zehn Jahren versechsfacht. Leider hat sich die Zahl der Gefangenen, die in den türkischen Gefängnissen ums Leben gekommen sind, allein in den letzten drei Monaten um neun erhöht.

In Haft verstorbene Menschen

Am 21. Januar 2022 starb Ramazan Turan, ein 70-jähriger kranker Häftling, in der einzigen Quarantänezelle, in der er 22 Tage lang im Hochsicherheitsgefängnis von Van festgehalten worden war. Es wird behauptet, dass Ramazan Turan an einem Herzinfarkt starb. Die Autopsie wurde ohne die Anwesenheit der Anwälte seiner Familie durchgeführt.

Am 31. Januar 2022 verlor Mehmet Hanefi Bilgin (58), der seit 30 Jahren hinter Gittern saß, im Bolu-Gefängnis Typ F sein Leben. Die Gefängnisverwaltung rief seine Familie an und teilte ihr mit, dass Bilgin einen Herzinfarkt erlitten hatte. Er hatte bereits vor drei Jahren einen Herzinfarkt erlitten. Bilgin hätte am 27. Juni entlassen werden sollen.

Am 2. Februar 2022 starb der kranke Häftling Turgay Deniz, der an schwerer Tuberkulose litt, kurz nach seiner Entlassung. Deniz war seit zwölf Jahren auf ein Atemhilfegerät angewiesen, da seine linke Lunge nicht mehr richtig funktionierte und er außerdem Läsionen auf seiner rechten Lunge hatte. Trotz seines schweren Gesundheitszustands wurde er im Gefängnis behalten. Er wurde operiert, aber sein Gesundheitszustand verschlechterte sich weiter. Erst dann wurde Deniz zur Behandlung aus dem Gefängnis entlassen.

Am 10. März 2022 kam Bedri Çakmak, der 2021 nach Intervention von Menschenrechtsorganisationen freigelassen worden war, ums Leben. Çakmak erkrankte an Magenkrebs, als er im geschlossenen Gefängnis des Typs D in Diyarbakır inhaftiert war, wurde aber erst entlassen, als sich sein Krebs im Endstadium befand und es für ihn zu spät war.

Zusätzlich zu diesen Gefangenen, die in diesem Jahr ihr Leben verloren, starben im Dezember 2021 fünf kranke Gefangene. Es handelt sich um folgende Gefangene:

Am 9. Dezember 2021 wurde Garibe Gezer, die im Hochsicherheitsgefängnis Kocaeli Nr. 1 Typ F inhaftiert war, tot in der Gummizelle aufgefunden, in der sie isoliert worden war. Die Gefängnisverwaltung behauptete, sie habe Selbstmord begangen. Bevor die Staatsanwaltschaft eine Untersuchung einleitete, verhängte sie eine Vertraulichkeitsanordnung über die Akte.

Am 15. Dezember 2021 nahm sich der 65-jährige Abdülrezzak Şuyur, der im İzmir Aliağa Şakran Typ T-Gefängnis inhaftiert war, in seiner Zelle das Leben, weil er trotz seiner fortgeschrittenen Krebserkrankung nicht entlassen worden war.

Am 15. Dezember 2021 kam Halil Güneş, der auf der Liste der schwerkranken Gefangenen des İHD stand, in seiner Zelle im Diyarbakır Nr. 2-Gefängnis ums Leben.

Am 17. Dezember 2021 wurde Ilyas Demir, der eine lebenslange Haftstrafe im Bolu-Gefängnis verbüßte, tot in seiner Zelle aufgefunden. Demir hatte unter psychischen Problemen gelitten.
Am 19. Dezember 2021 starb Vedat Erkmen, der im geschlossenen Hochsicherheitsgefängnis Tekirdağ Nr. 2 Typ F inhaftiert war, auf verdächtige Weise in seiner Zelle. Die Verwaltung teilte seiner Familie mit, dass er Selbstmord begangen habe.

Der Fall Aysel Tuğluk

In unserer Erklärung vom 7. Januar 2022 haben wir die internationale Gemeinschaft auf den sich verschlechternden Gesundheitszustand der inhaftierten HDP-Politikerin und ehemaligen Abgeordneten Aysel Tuğluk aufmerksam gemacht, die an Demenz leidet, die sich im Laufe ihrer Inhaftierung verschlimmert hat. Am 21. Dezember beantragten Tuğluks Anwälte beim Institut für Rechtsmedizin (ATK) erneut ihre Freilassung. Das Institut hat jedoch einen Bericht erstellt, in dem es heißt: „Es liegen keine medizinischen Befunde oder Unterlagen vor, die darauf hindeuten, dass sie eine geistige Störung von einer Art oder einem Ausmaß hatte, die ihre strafrechtliche Verantwortlichkeit in dem Zeitraum, der in den Zeitrahmen der Straftat fällt, beeinflussen würde...". Dementsprechend kommt das gerichtsmedizinische Gutachten zu dem Schluss, dass die kranke Gefangene Aysel Tuğluk „voll strafmündig" ist. Dieser letzte Bericht zeigt erneut, dass das gerichtsmedizinische Institut in hohem Maße politisch motiviert ist und seine Berichte nicht unter objektiven und wissenschaftlichen Gesichtspunkten erstellt werden.

Forderung an die internationale Gemeinschaft

Wir fordern die internationale Gemeinschaft - allen voran das Komitee zur Verhütung von Folter (CPT) und andere einschlägige Organe des Europarats, die Menschenrechtskommissare des Europarats und der Vereinten Nationen sowie Menschen- und Frauenrechtsorganisationen - erneut auf, unverzüglich Maßnahmen für alle kranken Gefangenen und gegen diese unmenschliche Situation in türkischen Gefängnissen zu ergreifen, bevor es zu spät ist.