HDK-Kampagne zum Kampf gegen die ökonomische Krise

Der in der Türkei organisierte Dachverband HDK hat eine Kampagne gegen die Wirtschaftskrise im Land gestartet. In den kommenden Monaten sind landesweit zahlreiche Aktivitäten angekündigt.

Der Demokratische Kongress der Völker (HDK) hat am Donnerstag auf einer Pressekonferenz eine Kampagne gegen die sich vertiefende ökonomische Krise in der Türkei unter dem Namen „Aufruf an unsere Völker zur Solidarität und zum gemeinsamen Kampf gegen die Krise“ gestartet.

An der Pressekonferenz in der Istanbuler HDK-Zentrale nahmen der Ko-Vorsitzende der SYKP (Partei der sozialistischen Neugründung), Cavit Uğur, der Ko-Vorsitzende der Sozialistischen Partei der Unterdrückten (ESP), Şahin Tümüklü, der Ko-Vorsitzende der Demokratischen Partei der Völker, Sezai Temelli, sowie die Sprecher*innen des HDK, Gülistan Kılıç Koçyığıt und Sedat Şenoğlu teil.

Zunahme von Armut durch Wirtschaftskrise

„Die ökonomische Krise wird von uns aus der Perspektive der Arbeitskraft, der Natur und der Frauen betrachtet und insbesondere das Ausmaß der Wirkung auf alle Bereiche des sozialen Lebens wie Gesundheit, Kultur und Bildung aufgegriffen“, las Ahmet Kavuk im Namen des Exekutiv-Komitees des HDK aus der Presseerklärung.

Unter Hinweis auf die Kriegspolitik der türkischen Regierung sagte Kavuk weiter: „Die Wirtschaftskrise wird derzeit als ein Ausdruck der Verschwendung gesehen, was Auswirkungen auf die Kommunalwahlen hat, wodurch wiederum die Korruption innerhalb der Kommunen offengelegt wurde. Letztendlich muss natürlich gesehen werden, dass die eigentliche Ursache der Krise das kapitalistische System selbst ist.“

Ein alternatives System zum Kapitalismus

Kavuk erwähnte weiter, dass seit langem am Aufbau eines zum Kapitalismus alternativen Systems gearbeitet werde: „Eine politische Struktur herzustellen, in der unterschiedliche Völker, Glaubensgemeinschaften, demokratische Kulturen, gleiche und freie Beziehungen gemeinsam existieren, mit der die Hoffnung auf eine Befreiung der Völker vergrößert wird, kann nur mit einem originär organisierten Parlament erreicht werden.“

Kampagnen-Kalender

„Am 15. Oktober werden zeitgleich in allen Provinzen Veranstaltungen, Seminare, Volksversammlungen, Workshops, Flugblatt-Verteilungen und ähnliche Aktionen organisiert. Unter Einbeziehung der Betroffenen sollen die Probleme, die in den Wohnvierteln, auf der Straße, bei der Arbeit wegen der Krise aufgetreten sind, erörtert und eine dementsprechende Organisierung erschaffen werden.

Zwischen dem 15. und dem 31. Oktober 2019 sollen in allen Provinzen, in denen wir vertreten sind, Presseerklärungen unter Beteiligung der demokratischen Arbeiterschaften und verschiedener gesellschaftlicher Gruppen auf den Plätzen der Städte durchgeführt werden.

Im Verlauf des Novembers sollen in den Straßen, Wohnvierteln, Fabriken oder an ähnlichen Orten die bis dahin organisierten Strukturen sich auf lokalen Kundgebungen zur Krise treffen, um die erreichte Organisierung sichtbar zu machen.

Wir planen die von September bis November durchgeführten Arbeiten im Dezember in ausgereifter Form unter Einbeziehung breiter gesellschaftlicher Bereiche in Ankara oder Istanbul eine Großkundgebung unter dem Motto „Budget für das Volk“ durchzuführen.“

Krise als System der Zerstörung

Nach der Verlesung der Presseerklärung ergriff der Ko-Sprecher des HDK, Sedat Şenoğlu, das Wort und betonte, dass die Krise zu allererst ein Zerstörungssystem sei: „Unsere Gesellschaft, Werktätige können das Kapital dazu bringen, Maßnahmen gegen die zeitnahen Auswirkungen der Krise ergreifen. Langfristig befinden wir uns auf der Suche nach einem solidarischen Ökonomie-Modell, einem alternativen Organisations-Modell und einem alternativen Leben, um dieser Situation zu entkommen.“

Temelli: Ungerechtigkeiten gibt es an jedem Ort

Der Ko-Vorsitzende der HDP, Sezai Temelli, betonte noch einmal, dass die Kampagne von großer Bedeutung sei: „Unter den Ökonomien der Welt ist die der Türkei derzeit vielleicht die zerbrechlichste. Die heutige Macht hat derartig viel von der neoliberalen Denkweise aufgenommen, dass sie sich um die eigene Gesellschaft nicht mehr schert, sondern für den eigenen Machterhalt  alles für zulässig hält.“

Er wies außerdem darauf hin, dass es Ungerechtigkeiten auf allen Ebenen gebe und natürlich besonders in der Ökonomie. Eine Ungerechtigkeit sei größer als die vorangegangene, weil diese die Aufgabe hätte, trotz der vorherigen Ungerechtigkeiten die Macht zu sichern.

30 Prozent Regression innerhalb von fünf Jahren

Temelli betonte, dass die Ökonomie in den vergangenen fünf Jahren eine Regression von 30 Prozent erfahren hat: „Wenn wir weite Teile der Gesellschaft betrachten sind es gar 80 Prozent, die arm geworden sind. Das zeigt, dass die Gesellschaft den Preis für eine Leitung der Wirtschaft, eine Politik, eine Außenpolitik ohne jeden Verstand zahlt. Sehen wir uns die Armuts-Landkarte dieses Landes an. Warum sind die kurdischen Provinzen am stärksten betroffen?“

Mit den Worten, „Einzig wenn wir Seite an Seite gegen den Faschismus stehen, können wir diese großen Ungerechtigkeit stoppen“, brachte er es auf den Punkt.

Uğur: Wenn es Rechte gäbe, wären die Menschen überall aufgestanden

Der Ko-Vorsitzende der SKYP, Cavit Uğur, bemerkte, dass die Krise ein strukturelles Problem sei: „Wäre die Türkei ein Rechtsstaat, hätten sich überall Menschen gegen diese falsche Politik erhoben. Es ist aber eben gerade so, dass der Grund für die fortdauernde Existenz dieser Macht die Fortsetzung der Unterdrückungshierarchie ist.

Der Ko-Vorsitzende der Sozialistischen Partei der Unterdrückten (ESP), Şahin Tümüklü, sagte: „Der Kapitalismus ist ein System, das Menschen und Natur tötet. Als Menschen, die diese Krise seit langer Zeit erleben, sind wir gegen dieses scheußliche Staatssystem.“

Koçyığıt: Nein, wir sind nicht im selben Boot

Die Ko-Sprecherin des HDK, Gülistan Kılıç Koçyığıt, wies darauf hin, dass der Palast Erdoğans an nur einem Tag viereinhalb Millionen TL verbrauche: „Oft schon wurde uns gesagt, sitzen wir nicht in demselben Boot? Nein, das tun wir nicht! Wir befinden uns in dem Boot der Armen. Wenn alle Unterdrückten sich zusammentun, können wir dieses System verändern. Wir sind für ein System, das an der Seite der Arbeiter, der Frauen und der Natur ist.“