Haus von Aleviten mit Kreuz markiert

In Izmir ist das Haus einer alevitischen Familie mit einem roten X und dem Schriftzug „Verschwinde, Alevite“ gekennzeichnet worden. In der Community ruft dies Ängste hervor, weil es an die Vorbereitungen für frühere Pogrome gegen Aleviten erinnert.

In der westtürkischen Stadt Izmir ist das Haus einer alevitischen Familie mit einem roten X und dem Schriftzug „Verschwinde, Alevite“ gekennzeichnet worden. Bei den Aleviten ruft dies Ängste hervor, weil es an die Vorbereitungen für frühere Pogrome gegen die vorislamische Religionsgemeinschaft erinnert. Doch die Polizei glaubt nicht, dass die Markierungen eine Bedrohung darstellen. Es handele sich aller Wahrscheinlichkeit nach um „Unsinn von Kindern oder Betrunkenen“, so die Behörde.

„Dass die Polizei den Vorfall verharmlost, können wir nicht akzeptieren. Wir fühlen uns bedroht und verängstigt. Seit 25 Jahren leben wir bereits im Stadtteil Gaziemir. So etwas ist hier zuvor noch nie passiert. Deshalb gehen wir an die Öffentlichkeit“, sagte Eren Şenal, dem das Haus gehört. Die Familie veranstaltete gestern in den Räumlichkeiten des Menschenrechtsvereins IHD eine Presseerklärung mit ihren Anwält*innen vom Verein progressiver Juristen (Çağdaş Hukukçular Derneği, ÇHD).

Der Vorfall in Izmir ist keine Einzelfall: Immer wieder werden Wohnhäuser von Aleviten per rotem Kreuz gebrandmarkt. Im vergangenen März beschmierten Unbekannte insgesamt sechs Häuser von alevitischen und kurdischen Bewohner*innen in Izmir/Karşıyaka mit Kreuzen. Ende 2017 waren in Meletî (Malatya) dreizehn Wohnungs- und Haustüren sowie Fassaden mit roten Kreuzen beschmiert worden. Vor zwei Tagen wurden ein ähnlicher Vorfall aus Adana gemeldet. Wie im Fall der Familie Şenal konnte niemand ermittelt werden, der mit den Beschmierungen in Verbindung steht.

Pressekonferenz der Familie Şenal 

„Die Polizei hat den Schriftzug übermalt und ihn als Kinderstreich abgetan. Das können wir nicht verstehen. Wir fordern eine lückenlose Aufklärung, da wir uns nicht mehr sicher fühlen“, so Eren Şenal.

Pogrom von Maraş

Im Dezember 1978 fand in der Stadt Maraş (kurdisch Gurgum) ein Massaker türkischer rechter Paramilitärs an Aleviten statt: das Pogrom von Maraş, auch Kahramanmaraş-Massaker genannt. Tagelang wütete ein faschistischer Mob mit Parolen wie „Wer einen Aleviten umbringt, der kommt ins Paradies”. Häuser und Geschäfte von Aleviten und Linken, die zuvor mit einem Kreuz markiert worden waren, wurden gestürmt, Läden zerstört und Frauen vergewaltigt. Der Staat griff tagelang nicht ein und sah stattdessen zu. Nach offiziellen Angaben starben 111, nach inoffiziellen Angaben bis zu 1.000 Menschen bei den Übergriffen. Ein Gedenkort fehlt in der nunmehr fast ausschließlich von sunnitischen Türken bewohnten Stadt fehlt bis heute.