Haftentlassung hungerstreikender Anwälte erneut abgelehnt

Trotz gerichtsmedizinisch festgestellter Haftunfähigkeit werden die hungerstreikenden Rechtsanwälte Ebru Timtik und Aytaç Ünsal nicht entlassen. Auch eine Anfechtung vor der höheren Instanz änderte nichts an der Entscheidung eines Istanbuler Gerichts.

Trotz gerichtsmedizinisch festgestellter Haftunfähigkeit werden die seit Monaten hungerstreikenden Rechtsanwält*innen Ebru Timtik und Aytaç Ünsal nicht entlassen. Auch eine Anfechtung vor der höheren Instanz änderte nichts an der Entscheidung vom 30. Juli der 37. Kammer des Istanbuler Strafgerichts. Die 38. Kammer am selben Gericht hat das fragwürdige Urteil am Donnerstag bestätigt. Beide Jurist*innen befinden sich nach wie vor gegen ihren Willen in verschiedenen Istanbuler Krankenhäusern. Angehörige befürchten, dass sie zwangsernährt werden.

Ebru Timtik ist als Anwältin beim linken Verband „Rechtsbüro des Volkes“ (türk. Halkın Hukuk Bürosu“) organisiert. Sie befindet sich seit mittlerweile 217 Tagen im sogenannten Todesfasten. Ihr Kollege Aytaç Ünsal verweigert seit 186 Tagen jegliche Nahrungsaufnahme. Beide wurden aufgrund von widersprüchlichen Aussagen des Kronzeugen Berk Ercan zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Die Anschuldigungen dieses Überläufers haben zur Verhaftung von knapp 200 Menschen geführt. Sie alle wurden im Komplex der Verfahren gegen vermeintliche Angehörige der DHKP-C nach Terrorparagrafen verurteilt. Unter ihnen sind auch mehrere Mitglieder der Musikgruppe Grup Yorum und Mustafa Koçak, der zu lebenslanger Haft verurteilt worden war und vergangenen April im Hungerstreik an den Folgen einer Zwangsernährung gestorben ist.

Wenige Stunden vor der Gerichtsentscheidung fand vor dem „Halkalı Kanuni Sultan Süleyman“-Krankenhaus, in dem Aytaç Ünsal festgehalten wird, eine Mahnwache statt. Daran nahm auch dessen Mutter Nermin Ünsal teil, die ihrem Sohn seit sechs Tagen als Pflegerin zur Seite steht. Ünsal sagte, dass die Bedingungen im Krankenhaus schlimmer als im Gefängnis seien, zudem auch Covid19-Kranke dort behandelt würden. Sie warf dem türkischen Staat vor, ihren Sohn bewusst der Corona-Pandemie auszusetzen.