Guerillakommandantin Bêrîtan Nûrhak Çiya in Mawa gefallen

Bêrîtan Nûrhak Çiya hat über zwei Jahrzehnte in Kurdistan für Freiheit gekämpft. Die Guerillakommandantin ist bei einer Militäroperation der türkischen Armee gefallen.

Über zwei Jahrzehnte im Freiheitskampf

Die Guerillakommandantin Bêrîtan Nûrhak Çiya ist bei einer Militäroperation der türkischen Armee im Gebiet Mawa in der Provinz Êlih (tr. Batman) gefallen. Die Kurdin hieß mit bürgerlichem Namen Sultan Dağ und stammte aus einem Dorf in der Provinz Mêrdîn, wo sie gestern unter großer Anteilnahme beerdigt wurde. Die Volksverteidigungskräfte (HPG) haben einen Nachruf veröffentlicht, in dem sie Bêrîtan Nûrhak Çiya als mutige Kommandantin der Verbände freier Frauen (YJA Star) und militante Verfechterin der Frauenbefreiung würdigen. Die Gefallene war Mitglied der Gebietskommandantur in der Region Gabar und hat über zwei Jahrzehnte in vielen Gebieten Kurdistans gekämpft. Die HPG sprachen der Familie von Bêrîtan Nûrhak Çiya und dem kurdischen Volk ihr Mitgefühl aus und erklärten, dass ihr Kampf weitergeht und ihr Traum von einem freien Kurdistan lebendig bleibt. Aus dem Nachruf der HPG gehen folgende Angaben hervor:
 

Codename: Bêrîtan Nûrhak Çiya
Vor- und Nachname: Sultan Dağ
Geburtsort: Mêrdîn
Namen von Mutter und Vater: Fatma–Recep
Todestag und -ort: 23. Juni 2024 / Botan


Bêrîtan Nûrhak Çiya war eine der Frauen aus Mêrdîn, deren Persönlichkeit immer noch von der neolithischen Kultur geprägt ist. Die Sehnsucht nach Freiheit wird von Generation zu Generation weitergegeben und hat durch die kurdische Befreiungsbewegung eine bewusstere Form angenommen. Mit diesem Bewusstsein setzen die Frauen aus Mêrdîn heute ihren Widerstand gegen männliche Herrschaft fort.


Bêrîtan ist in der Omerya-Region zur Welt gekommen und stammte aus einer Familie mit langer Widerstandstradition. Ihr Großvater erzählte ihr von früheren Aufständen in verschiedenen Teilen Kurdistans, an denen Mitglieder der Familie beteiligt waren. Dadurch entstand bei ihr schon früh ein Bewusstsein für ihre kurdische Identität und die Realität in Kurdistan. Ihre Eltern hatten großes Interesse an der unter der Führung der PKK entstandenen Freiheitsbewegung und vermittelten ihren Kindern entsprechende Werte. Bêrîtan war noch ein Kind, als sie zum ersten Mal Guerillakämpfer sah, die in ihr Dorf gekommen waren. Die erste Guerillakämpferin, der Bêrîtan begegnete, war Hozan Mizgîn (Gurbet Aydın), die einen tiefen Eindruck bei ihr hinterließ.

Als Bêrîtan fünf Jahre alt war, wurde ihr Dorf vom türkischen Staat niedergebrannt und ihr Vater vor ihren Augen brutal gefoltert. Die Familie musste nach Mêrdîn ziehen und Bêrîtans Vorstellungen von der Zukunft waren von Rachegedanken geprägt. Sie nahm sich vor, eines Tages als Freiheitskämpferin in ihr Dorf zurückzukehren und Vergeltung zu üben. Später zog die Familie in eine türkische Großstadt. Dort wurde Bêrîtan in der Jugendbewegung aktiv und las Bücher von Abdullah Öcalan und über die Guerilla. Öcalans Analysen zur Frauenfrage waren wie eine Offenbarung, weil sie die Frauen in der Gesellschaft zugedachte Rolle immer als Widerspruch empfand und sich nicht zugehörig fühlte. Als sich ihr Bruder Nurhak (Halit Dağ) der Guerilla anschloss, wollte sie ihm in die Berge folgen. Zwei ihrer Versuche scheiterten, erst 2002 gelang ihr unter großen Schwierigkeiten, eine Guerillagruppe in Wan zu erreichen.


Aus Wan kam Bêrîtan nach Qendîl. Die damalige Zeit war von internen Spaltungsversuchen geprägt, denen sich Bêrîtan mit großer Willensstärke widersetzte. Später konnte sie an einer Ausbildung für neue Kämpferinnen und Kämpfer teilnehmen. Sie blieb ungefähr vier Jahre in Qendîl und entwickelte ihre Fähigkeiten im ideologischen, militärischen und organisatorischen Kampf weiter. Eine rein emotionale Verbundenheit mit Abdullah Öcalan bewertete sie als Scheinheiligkeit. Für sie war es wichtig, dass diese Verbindung eine ideologische Grundlage hat und auf ständiger Weiterbildung basiert. Dafür nahm sie an Schulungen an der Frauenakademie Şehîd Berîtan und später an der nach Mahsum Korkmaz benannten Militärakademie teil. Danach war sie drei Jahre in Metîna und zwei Jahre im Zagros-Gebiet und machte erste Erfahrungen als Kommandantin. Ihre große Wut auf den Feind spiegelte sich in ihrem Kampf wider. Sie beteiligte sich an revolutionären Operationen und nahm mit ihrem Mut, ihrem offensiven Vorgehen und ihrer schier unerschöpflichen Energie eine führende Rolle ein. Jede erfolgreiche Aktion war ein Ventil für ihren seit Jahren aufgestauten Wunsch nach Rache.

Der Tod ihres Bruders Nurhak im Jahr 2011 wurde für sie zu einem Grund, ihren Kampf zu verstärken. Sie übernahm strategisch wichtige Aufgaben, die großes Vertrauen in sie voraussetzten. Nach einer Fortbildung an einer PAJK-Akademie arbeitete sie zwei Jahre lang in Heftanîn im Bildungsbereich. Danach ging sie nach Bakur, in den Norden Kurdistans, und erfüllte sich damit einen langgehegten Traum. Sie war kurze Zeit in Gabar und anschließend in Kerboran, wo sie den Widerstand für Selbstverwaltung vorantrieb. Ihr weiterer Weg führte sie über Gabar zurück in die Medya-Verteidigungsgebiete an die Haki-Karer-Akademie und von dort aus in den Widerstand in Metîna. Zuletzt war sie wieder in Gabar und übernahm Verantwortung in der Gebietskommandantur. Bêrîtan Nûrhak Çiya kam bei einem Luftangriff im Gebiet Mawa ums Leben.