Seit fast zwei Wochen befindet sich der Kurde Murat Akgül in Nürnberg in Untersuchungshaft. Nach einer Ausweisung mit Einreisesperre floh er aus der Türkei, da ihm dort aufgrund regierungskritischer Äußerungen Verfolgung und Gefängnis drohen. Über sein Asylverfahren wurde noch nicht entschieden, dennoch wurde er am 28. Oktober in Untersuchungshaft genommen. Dort trat er in den Hungerstreik, um gegen diese bisher einmalige Behandlung von Asylsuchenden in Deutschland zu protestieren.
Murat Akgüls Anwalt Yunus Ziyal hat inzwischen beim Landgericht Haftbeschwerde eingelegt, über die noch nicht entschieden wurde.
Mittlerweile konnte die Familie Murat besuchen. Er habe infolge des Hungerstreiks schon fünf Kilo verloren, dennoch sei seine Moral gut, weil er weiß, dass sich viele Menschen solidarisch zeigen, so die Familie. Das gebe ihm Kraft, seinen Kampf um Gerechtigkeit fortzusetzen.
„Erinnert an Erdoğans Propaganda“
Der Bayrische Flüchtlingsrat fordert in einer heute veröffentlichten Erklärung „Fluchtgefahr bei Flüchtling?“ die sofortige Freilassung von Murat Akgül und die Bearbeitung seines Asylantrags: „Einen politisch aktiven Kurden in die Türkei abzuschieben, gerade in der jetzigen Situation, ist zynisch und hoch gefährlich. Es ist reiner Zufall und eine gehörige Portion Glück, dass Herr Akgül dort nicht gleich in Haft genommen wurde. Dass das autoritäre Erdogan-Regime nicht davor zurückschreckt, Oppositionelle, Kritiker*innen und Journalist*innen einzusperren, ist spätestens nach dem Skandal um Deniz Yücel allen bekannt. Dass deutsche Sicherheitsbehörden bei einem politisch aktiven Kurden ohne Vorstrafen eine Gefahr für die demokratische Grundordnung sehen, erinnert stark an Erdogans Propaganda, der regelmäßig Kurd*innen mit Terrorist*innen gleichsetzt. Das ist einem Rechtsstaat nicht würdig“, kritisiert David Förster vom Bayerischen Flüchtlingsrat. „In der Türkei droht ihm politische Verfolgung, deshalb flieht er wieder nach Deutschland. Hier bekommt er ein Strafverfahren, das nur durch die Einreisesperre durch die Behörden eröffnet werden konnte, und wird in Untersuchungshaft gesteckt. Da er einen Asylantrag gestellt hat, stellt die Strafverfolgung wegen illegaler Einreise einen Verstoß gegen Artikel 31 der Genfer Flüchtlingskonvention dar. Herr Akgül ist sofort aus der Haft zu entlassen und sein Asylantrag unvoreingenommen zu prüfen. Was hätte Herr Akgül in seiner ausweglosen Situation denn sonst tun sollen?“
Solidarität der Gewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt
Den Unterstützerkreis von Murat erreichte auch eine Solidaritätsbotschaft der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt, in der Murat organisiert ist. Die Gewerkschaft verurteilt das Vorgehen der Ausländerbehörde und der Justizorgane gegen Murat Akgül und erklärt sich mit ihm, seiner Familie und seinen Freunden solidarisch. Das Vorgehen der Behörden wird als „abstoßender Akt menschlicher Kälte“ bezeichnet. Die IG Bau „fordert die zuständige Ausländerbehörde auf, den Ausweisungsbescheid sofort zurückzunehmen! Wir fordern die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth auf, umgehend die Aufhebung des Haftbefehls gegen Murat Akgül zu beantragen (§ 120 Abs. 3 StPO) und sich an Recht und Gesetz zu halten!“
GG/BO fordert Aufhebung der Untersuchungshaft
Auch die Gefangenen-Gewerkschaft / Bundesweite Organisation (GG/BO) erklärt sich solidarisch und fordert die Aufhebung der Untersuchungshaft: „Dass jemandem der gerade erst nach Deutschland geflohen ist, Fluchtgefahr vorgeworfen wird, wirkt einigermaßen absurd.“
„Wir alle sind Murat“
Die Freund*innen von Murat und der Unterstützerkreis betonen in der momentanen Phase die Wichtigkeit aktiver Solidarität und der Herstellung von Öffentlichkeit: „Der Versuch der Einschüchterung und Kriminalisierung politischer Meinungsäußerung von Kurd*innen darf nicht hingenommen werden“, so eine Sprecherin. „Murat hat von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch gemacht. Er hat mit anderen Kurd*innen gegen die Kriegsverbrechen des türkischen Staates protestiert und die Unterdrückung des kurdischen Volkes angeprangert. Diese völlig legalen Aktivitäten werden ihm jetzt zum Vorwurf gemacht, indem die deutsche Justizbehörden dies als ‚sicherheitsgefährdend‘ auslegen. Dabei wird die Haltung des türkischen Staates übernommen.“ Ein Sprecher der Unterstützergruppe appelliert „Lasst es nicht zu, dass Menschen, die gegen den türkischen Faschismus Position beziehen, kriminalisiert werden. Fordert ein, dass die Zivilgesellschaft Stellung bezieht gegen die Diktatur in der Türkei und deren tägliche Kriegsverbrechen. Seid solidarisch mit der Opposition gegen das Erdoğan-Regime und unterstützt die Freiheitsbewegung mit ihrer Forderung nach einer politischen Lösung. Wir alle sind Murat.“
Wer Murat persönlich Solidarität bekunden will, kann ihm schreiben: Murat Akgül, JVA Nürnberg, Bärenschanzstr. 68, 90429 Nürnberg