Gökay Akbulut: Keine Zusammenarbeit mit Ein-Mann-Regime

„Ein Staat, in dem ein Ein-Mann-Regime etabliert wird, darf nicht weiterhin Partner der Bundesregierung oder der EU werden. Wir fordern die Beendigung des Flüchtlingsdeals“ erklärt Gökay Akbulut (DIE LINKE).

Die migrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Gökay Akbulut, fordert die Beendigung des Flüchtlingsdeals mit dem „Ein-Mann-Regime“ der Erdoğan-Türkei.

Im sogenannten „Flüchtlingsstreit“ haben sich CDU und CSU geeinigt und damit eine Regierungskrise beigelegt. Was denken Sie über diese Einigung?

Der Streit zwischen den Schwesterparteien CDU und CSU wurde auf Kosten der Flüchtlinge ausgetragen. Seehofer versucht aufgrund der Landtagswahlen in Bayern im Oktober 2018 mit rechtspopulistischer Hetze bei den Wähler*innen zu punkten.

Die AfD wird laut Prognosen mit etwa 14 Prozent in den Landtag einziehen. Die CSU wird mit ca. 41 Prozent wahrscheinlich die absolute Mehrheit im Landtag verlieren. Das wäre historisch betrachtet das schlechteste Ergebnis der CSU in Bayern. Der bayrische Ministerpräsident Söder versucht gemeinsam mit Bundesinnenminister Seehofer Druck auf die Bundeskanzlerin Merkel auszuüben. Bei der Regierungskrise handelt es sich de facto um einen rechten Putschversuch gegen Merkel.

Angela Merkel hat alle Forderungen Seehofers auf dem EU-Gipfel umgesetzt und ihn auflaufen lassen. Während Seehofer einen Alleingang mit Abschottung Deutschlands forderte, hat Merkel eine EU weite Abschottung auf dem Gipfel vereinbart.

Was hat die Flüchtlingspolitik der EU, die mit dem Schutz der Außengrenzen begründet wird, noch mit humanistischen Werten zu tun?

Die Flüchtlingspolitik der EU ist nicht human und verstößt gegen die Genfer Flüchtlingskonvention und die Europäischen Menschenrechtskonvention. Mit Frontex, militärischen Maßnahmen und verschiedenen Abkommen mit afrikanischen Staaten oder der Türkei wird Europa militärisch abgeschottet. Währenddessen ertrinken Menschen tagtäglich im Mittelmeer. Ehrenamtliche Organisationen wie Seawatch oder zuletzt Lifeline, die versuchen Menschenleben zu retten, werden von den Regierungen kriminalisiert und ihre Boote beschlagnahmt. Laut der Internationalen Organisation Migration IOM sind 2018 über 1400 Menschen im Mittelmeer ertrunken. Das ist eine Schande für die europäischen Werte und die Menschenrechte, die an den Grenzen Europas enden.

Die Türkei scheint das Schlüsselland in der Flüchtlingsfrage in Deutschland zu sein. Was denken Sie über das Abkommen mit der Türkei?

Die Linke hat bereits den EU-Flüchtlingsdeal von März 2016 scharf kritisiert und eine Beendigung gefordert. Es wurde die Zahlung von drei Milliarden Euro an die Türkei vereinbart, bis Ende 2018 sollen weitere drei Milliarden für die Versorgung von Flüchtlingen fließen. Die Türkei ist ein Teil der Flüchtlingskrise und keine Lösung. Die Türkei führt Krieg gegen die Kurd*innen in Efrîn/Rojava, in Nord- und Südkurdistan. Ein Staat, in dem ein Ein-Mann-Regime etabliert wird, darf nicht weiterhin Partner der Bundesregierung oder der EU sein. Wir fordern die Beendigung des Flüchtlingsdeals. Die EU muss Verantwortung übernehmen und eine europäische Lösung mit allen Mitgliedstaaten erarbeiten.

Die Türkei hat die Flüchtlingsfrage bisher immer als Trumpf gegen Europa eingesetzt. Welche Risiken birgt die neue Zusammenarbeit?

Ich denke, dass das Erdoğan-Regime erneut die Flüchtlinge für seine Interessen instrumentalisieren wird. Mit seiner schmutzigen Kriegspolitik, wie der Vertreibung der Kurd*innen aus Efrîn, werden ständig weitere Menschen in die Flucht getrieben.

Die EU und die Bundesregierung dürfen sich nicht unter Druck setzen lassen. Ich denke, dass die EU oder die Bundesregierung sich nicht erpressen lassen, sondern sich vielmehr mit der Türkei arrangiert haben. Das Abkommen mit der Türkei wird als positives Beispiel für andere Länder genommen.

Seit 1999 arbeitet die EU erfolglos an einem gemeinsamen europäischen Asylsystem. Die Fluchtursachen werden nicht bekämpft. Im Gegenteil, es werden weiterhin Waffen aus Deutschland exportiert und Profite in Milliardenhöhe gemacht. Kriege wie in Syrien werden auf Kosten der Bevölkerungen von Groß- und Regionalmächten geführt.