In Leipzig kamen am Freitag etwa 30 Menschen für ein Gedenken zum einjährigen Todestag des anarchistischen Internationalisten Dmitriy Petrov zusammen. Direkt zu Beginn des russischen Einmarsches in die Ukraine im Februar 2022 meldete sich Dmitriy freiwillig und gründete später eine antiautoritäre Einheit. Am 19. April kam er gemeinsam mit zwei weiteren Internationalisten, Finbar Kafferkey und Cooper Andrews, durch Artilleriebeschuss bei Bakhmut ums Leben.
Durch persönliche Geschichten von Menschen, die Dmitriy selbst kennengelernt haben, konnten die Besucher:innen der Gedenkveranstaltung viele Abschnitte seines Lebens, sein Wesen und seinen Kampfgeist sowie seine Überzeugungen auf eine sehr nahe Art erfahren. Ein Freund beschrieb ihn als sehr gebildeten und intelligenten Menschen, gleichzeitig als sanft und ideenreich.
Bereits mit 15 Jahren schrieb Dmitriy Artikel für Untergrundzeitschriften, erst nach seinem Tod wurde seine Beteiligung an der russischen Internetseite „Schwarzer Blog“ bekannt, auf welcher Anarchist:innen vor allem über direkte Aktionen wie Brandanschläge auf die Büros der regierenden Parteien oder die Sprengung einer mobilen Polizeiwache berichteten. Und nicht nur in Russland, auch in Belarus beteiligte er sich am antifaschistischen Protest, sammelte politische Erfahrungen in Kurdistan und ging schließlich 2018 in die Ukraine.
In einem Video, welches die Besucher:innen des Gedenkens gemeinsam anschauten, sprach Dmitriy selbst. Dabei begannen viele seiner Videobotschaften damit, deutlich zum Ausdruck zu bringen, dass er nicht für den ukrainischen Staat, sondern für die ukrainische Gesellschaft kämpfte. In seinem Abschiedsbrief schreibt er: „Als Anarchist, Revolutionär und russischer Mann hielt ich es für notwendig, am bewaffneten Widerstand teilzunehmen, den das ukrainische Volk den Putin-Besatzern entgegensetzt. Ich tat dies für Gerechtigkeit, zum Schutz der ukrainischen Gesellschaft und zur Befreiung meines Landes Russland von Unterdrückung. Für all die Menschen, die das widerliche totalitäre System, das in Russland und Weißrussland geschaffen wurde, ihrer Würde und der Möglichkeit beraubt, frei zu atmen.“ In seinen Botschaften betont er auch die internationalistische Aufgabe, im Ausland alle Kräfte zu mobilisieren, um den Kampf gegen Imperialismus und für die Selbstbestimmung des Volkes zu unterstützen, denn Gerechtigkeit werde nicht durch Friedensverhandlungen der Staaten herbeigeführt, wohingegen Kapitulation zu Diktatur und Totalitarismus führen werde.
Dmitriy fühlte sich auch der kurdischen Freiheitsbewegung und ihrem Kampf sehr verbunden. Zweimal besuchte er verschiedene Teile Kurdistans, schrieb und übersetzte Bücher, gründete ein Nachrichtenportal, um über den kurdischen Kampf zu berichten und organisierte in Russland immer wieder Solidaritätsveranstaltungen. Während einer Buchpräsentation von „Blumen der Wüste: 10 Jahre Revolution in Rojava“ sagte er: „Die Kurden sind dem gleichen Druck ausgesetzt wie die Bewohner vieler Länder Osteuropas. Es ist eine politische Kraft, die sich dem regionalen Imperialismus widersetzt. Im Gegensatz zur üblichen Situation, in der Imperialismus einem standardmäßigen Nationalstaat mit offensichtlichen sozialen Missständen und Ungerechtigkeiten gegenübersteht, haben die Kurden einen dritten Weg gewählt, eine soziale Alternative – das Konföderationsprojekt.“
Im Anschluss an das Gedenken gab es noch die Möglichkeit, Briefe an den politischen Gefangenen Azat Mifthakhov. einen Freund Dmitriys, zu schreiben, welcher seit fünf Jahren in Russland im Gefängnis ist.