Gedenken an die Toten von Pirsûs in Deutschland

Auf Aufruf des europaweiten Dachverbands migrantischer Unterdrückter haben in einer Reihe Städte im Bundesgebiet Gedenkkundgebungen für die 33 Toten von Pirsûs vor fünf Jahren stattgefunden.

Zum Jahrestag des IS-Massakers in Pirsûs (türk. Suruç), bei dem vor fünf Jahren 33 hauptsächlich junge Menschen getötet und 104 weitere verletzt wurden, fanden in zahlreichen Städten im deutschen Bundesgebiet Kundgebungen statt. Aufgerufen dazu hatte AvEG-Kon, die Konföderation der unterdrückten Migranten in Europa. Die Aktionen standen unter dem Motto: „Gerechtigkeit für Suruç, Gerechtigkeit für alle!“

In der Nürnberger Innenstadt kamen zahlreiche Menschen zusammen, um der Toten von Pirsûs zu gedenken. Der Anschlag am 20. Juli 2015 im Kulturzentrum Amara in der nordkurdischen Provinz Riha (Urfa) wurde vom sogenannten Islamischen Staat (IS) verübt, angestiftet wurde er mutmaßlich vom türkischen Geheimdienst MIT.

 

Die Trauerkundgebung begann mit einer Schweigeminute. Teilgenommen haben Mitglieder von AGIF, dem Medya Volkshaus und Partizan sowie Vertreter*innen verschiedener deutscher Gruppen. Auf Transparenten waren die Gesichter und Namen der meist jugendlichen Opfer abgebildet. Sie wollten den Menschen in Kobanê mit Spielzeug und Medikamenten zu Hilfe kommen und bezahlten ihre Solidarität mit dem Leben. Mehrere Redner*innen forderten Gerechtigkeit für die Opfer und riefen Parolen wie „Suruç - kein Vergeben und Vergessen!“ und „Es lebe die revolutionäre Solidarität!“

Köln

An einer Kundgebung auf dem Bahnhofsvorplatz in Köln haben etwa 50 Personen teilgenommen. Eine Aktivistin erinnerte an die Hintergründe des Anschlags. Im Sommer 2015 mobilisierte die Föderation der sozialistischen Jugendvereine (SGDF) in der ganzen Türkei die Kampagne „Wir haben es gemeinsam verteidigt, wir werden es gemeinsam aufbauen!“. Ihr Ziel war es, die vom IS zerstörte Stadt Kobanê in Nordsyrien/Westkurdistan wiederaufzubauen. Mit ihrer Hilfskampagne wollten die Jugendlichen der überwiegend kurdischen Bevölkerung in Kobanê zeigen, dass sie mit ihrem Schicksal nicht alleingelassen wird. Für Kinder sollten Spielplätze errichtet werden, die Kämpfe der sozialistischen Bewegung in der Türkei wollten sie mit der kurdischen Bewegung verbinden. Während einer Pressekonferenz im Kulturzentrum Amara kurz vor der Abreise verübte ein Attentäter den Selbstmordanschlag. Danach kam es auch in anderen Städten zu Bombenanschlägen und Massakern des IS.

Kiel

Die Kundgebung in Kiel fand auf dem Europaplatz statt, beteiligt waren unter anderem Mitglieder des kurdischen Vereins, der Antifa, der Alevitischen Gemeinde, AGIF und FED-DEM. Viele brachten ihre Fahnen mit, andere trugen Transparente, auf denen stand: „Wir fordern Gerechtigkeit für die Opfer und Hinterbliebenen des Suruç-Massakers“ und „Die Verantwortliche des Massakers ist die AKP-Regierung - Wir fordern Rechenschaft”.

Das Gedenken wurde mit einer Schweigeminute eingeleitet. In einer über Lautsprecher verlesenen Erklärung hieß es, der türkische Staat habe mit dem Schulterschluss mit dem IS verhindern wollen, dass sich die Völker in der Türkei mit der Revolution von Rojava vereinen.  

 

Stuttgart

Auch in Stuttgart begann das Gedenken mit einer Minute des Schweigens. Währenddessen wurden die Namen der 33 Todesopfer von Pirsûs verlesen. Auf dem Boden lag Spielzeug, das symbolisch für die Spielsachen stand, welche die Jugendlichen vor fünf Jahren nach Kobanê bringen wollten. Eine Vertretetin von AvEG-Kon verlas eine Erklärung, in der unterstrichen wurde, dass ihr Kampf unter der Devise „Gerechtigkeit für Suruç – Gerechtigkeit für alle“ steht und somit auch ihren Gerechtigskeitskampf für die Toten von Cizîr (Cizre), Roboskî, Ankara und Sûr repräsentiert.

Eine Aktivistin des kurdischen Gesellschaftszentrums DKTM wies in einer Rede auf die Repression der türkischen Behörden gegenüber der Hinterbliebenen der Toten von Pirsûs hin. So wurde im April 2019 die 62-jährige Besra Erol, Mutter des Aktivisten Evrim Deniz Erol, aufgrund ihrer Trauerrede auf der Beerdigung ihres Sohnes wegen des Vorwurfs der „Terrorpropaganda” zu einer Freiheitsstrafe von siebeneinhalb Jahren verurteilt. In besagter Rede hatte Erol lediglich auf die Unterstützung der Erdoğan-Regierung an den IS und die Friedensforderungen des kurdischen Volkes hingewiesen.

 

Auch in Städten wie Paris, Den Haag und Zürich sowie weiteren Orten fanden Gedenkveranstaltungen für Pirsûs statt.