Ankara: Polizeigewalt und Festnahmen bei Pirsûs-Gedenken

In Ankara ist die Polizei gegen zwei Kundgebungen zum 5. Jahrestag des IS-Anschlags von Pirsûs vorgegangen. In Kızılay wurde einem Demonstranten die Nase gebrochen, in Çankaya setzten Bereitschaftspolizisten Gummigeschosse und Tränengas ein.

Nach dem Polizeiangriff auf eine Veranstaltung zum fünften Jahrestag des IS-Anschlags von Pirsûs (türk. Suruç) am Tatort, dem Kulturzentrum Amara in der nordkurdischen Provinz Riha (Urfa), haben Sicherheitskräfte nun auch in der türkischen Hauptstadt Ankara Teilnehmerinnen und Teilnehmer der dortigen Gedenkkundgebungen angegriffen. Im zentralen Stadtteil Kızılay wurde eine Menschenmenge, die sich zuvor auf dem Atatürk Boulevard versammelte, von Polizisten auseinandergerissen. Nachdem zunächst Schilder, Transparente und Fotos der 33 Menschen, die bei dem Anschlag am 20. Juli 2015 ums Leben kamen, zerfetzt wurden, sind mehrere Personen zu Boden geschleudert worden. Ein Demonstrant brach sich die Nase, als er festgenommen wurde, anwesenden Journalisten, die das Geschehen filmten, wurde mit Festnahme gedroht. Wie viele Personen sich dort genau in Gewahrsam befinden, ist noch unklar. Ein körperlich behinderter Passant, der sich gegen die Polizeigewalt beschwerte, soll ebenfalls in Handschellen abgeführt worden sein.

Im Stadtteil Çankaya setzten Bereitschaftspolizisten Tränengas und Gummigeschosse gegen eine Gruppe auf der Meşrutiyet Caddesi ein. Die größtenteils jugendlichen Aktivistinnen und Aktivisten wurden geschlagen und zu Boden gedrückt, bevor sich auch hier wieder die gleiche Szene wie in Kızılay abspielte, als ein Transparent mit der Aufschrift „Gerechtigkeit für Suruç – Gerechtigkeit für alle“ sowie Fotos der Toten von Polizisten in Fetzen gerissen wurden. Die Nachrichtenagentur MA geht von mehreren Dutzend Festnahmen aus, das Gebäude der Sozialistischen Partei der Unterdrückten (ESP) wird unterdessen seit mehreren Stunden belagert.

Anschlag von Pirsûs

Der Anschlag vor fünf Jahren ereignete sich, als sich auf Aufruf der Föderation Sozialistischer Jugendvereine (SGDF) 300 junge Menschen am Kulturzentrum Amara versammelten, um vor ihrer Abreise nach Kobanê eine Pressekonferenz abzuhalten. Die geplante Fahrt nach Nordsyrien sollte ein Akt der Solidarität sein. Die Jugendlichen wollten Kinderspielzeug und humanitäre Hilfsgüter in die vom IS zerstörte Stadt bringen. 33 hauptsächich junge Menschen wurden getötet, 104 weitere teils schwer verletzt.