Frühere Bürgermeisterin Leyla Imret als Zeugin in Stuttgarter 129b-Prozess

Nach mehrmaligen Terminverschiebungen wird die frühere Bürgermeisterin von Cizîr, Leyla Imret, in der kommenden Woche im PKK-Verfahren gegen den 71-jährigen Ali E. vor dem OLG Stuttgart als Zeugin angehört.

Nach mehrmaligen Terminverschiebungen wird am 2. Mai die frühere Bürgermeisterin von Cizîr (tr. Cizre), Leyla Imret, in dem PKK-Verfahren gegen den kurdischen Aktivisten Ali E. vor dem Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart als Zeugin angehört. Das teilt der Kölner Rechtshilfefonds AZADÎ mit. Imret werde über die politischen Ereignisse in der Türkei in den zurückliegenden Jahren sowie über die gegenwärtige Situation berichten. „Angesichts der bevorstehenden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen am 14. Mai dürften ihre Aussagen von besonderem Interesse sein“, so AZADÎ.

Die heutige HDP-Politikerin Leyla Imret war als Kind nach Deutschland gekommen und ist in Bremen aufgewachsen. Nach fast 20 Jahren kehrte sie nach Nordkurdistan zurück und wurde 26-jährig im Jahre 2014 mit 83 Prozent der Stimmen zur Bürgermeisterin von Cizîr, ihrer Geburtsstadt, gewählt. Damit zählte sie zu den jüngsten Stadtoberen der Türkei.

Vor dem Hintergrund der Rückkehr des AKP/MHP-Regimes zu Unterdrückung und Verfolgung kurdischer Parteien, Organisationen und Aktivist:innen in der Türkei wurde Leyla Imret im September 2015 ihres Amtes enthoben und von einem staatlichen Zwangsverwalter ersetzt. Ähnliches ereignete sich in 28 weiteren Provinzen. In der Folge wurde die Politikerin mehrmals festgenommen. Sie verließ Cizîr und kehrte auf Umwegen nach Deutschland zurück.

Der nach §129b StGB angeklagte 71-jährige Ali E. („Arif“), der im März 2022 verhaftet wurde, befindet sich seither in der JVA Stuttgart-Stammheim in Untersuchungshaft. Er wird der politischen Betätigung für die PKK von September 2011 bis zu seiner Festnahme beschuldigt. „Erstaunlich, dass sich ein des ‚Terrorismus‘ verdächtigter Aktivist, von den Behörden auch als ‚Gefährder der inneren Sicherheit‘ stigmatisiert, über zehn Jahre unter den Augen jener Strafverfolger betätigen kann, die ihn nun dafür anklagen“, kritisiert AZADÎ.

Die Ermächtigung des Bundesjustizministeriums zur strafrechtlichen Verfolgung von Ali E. datiert vom 6. September 2011. Der Prozess gegen den Kurden läuft seit vergangenem November. Die Verhandlung am Dienstag findet um 9:30 Uhr vor dem OLG Stuttgart (Olgastraße 2) statt. AZADÎ ruft dazu auf, politisch motivierte Strafverfahren wie das gegen Ali E. solidarisch zu begleiten.