Friedensakademiker Altınel von Terrorvorwürfen freigesprochen

Der aufgrund seiner Teilnahme an einer Konferenz in Frankreich in der Türkei wegen Terrorvorwürfen angeklagte Mathematiker Tuna Altınel, Verfasser des Friedensappells „Wir werden nicht Teil dieses Verbrechens sein“, ist freigesprochen worden.

Der in der Türkei wegen Terrorvorwürfen angeklagte Mathematiker Tuna Altınel ist freigesprochen worden. Der Akademiker verfasste als ein Zeichen der Empörung über die Monate andauernden Ausgangssperren in Nordkurdistan, bei denen das türkische Militär in den Jahren 2015 und 2016 mit äußerster Gewalt gegen die kurdische Zivilbevölkerung vorging, den Friedensappell „Wir werden nicht Teil dieses Verbrechens sein“. Mehr als 1.100 Wissenschaftler*innen und Intellektuelle von 89 Universitäten forderten mit ihrer Unterschrift ebenfalls das Ende der „Vernichtungs- und Vertreibungspolitik gegenüber der gesamten Bevölkerung“ in Nordkurdistan und appellierten an die türkische Regierung, die Friedensverhandlungen mit dem kurdischen Volk wiederaufzunehmen. Später stieg die Zahl der Unterschriften auf über 2200.

Aufgrund der Teilnahme an einer in Frankreich ausgetragenen Konferenz über die Geschehnisse während der Militärbelagerung in kurdischen Städten wurde Tuna Altınel, der Professor für Mathematik an der Universität Lyon I ist, im vergangenen Mai in der westtürkischen Stadt Balikesir wegen des Vorwurfs der „Terrorpropaganda” verhaftet. Zuvor hatte er die Polizei aufgesucht, um sich über die Ausreisebestimmungen zu informieren, da sein Reisepass für ungültig erklärt worden war.

Nach 81 Tagen in Untersuchungshaft wurde Altınel Ende Juli aus dem Gefängnis entlassen. Gestern wurde der Prozess gegen ihn vor der 2. Strafkammer Balikesir fortgesetzt. Altınel wies das Gericht auf seinen Freispruch im Revisionsverfahren wegen des Friedensappels hin und forderte im aktuellen Fall ebenfalls, die Vorwürfe gegen ihn fallen zu lassen. Vor Gericht spielte er eine Tonbandaufnahme ab, auf der Schreie von Menschen zu hören sind, die in den berüchtigten „Todeskellern” von Cizîr (Cizre) bei lebendigem Leib verbrannt wurden. „Diese Schreie sind nicht aus einer Filmszene. Sie ertönten aus den Kellern von Cizre. Man nannte diese Menschen Terroristen. Wie konnte es sein, dass Gewalt in so einem Ausmaß gegen sie angewendet wurde? Ich wollte damals mit Zeugen sprechen. Also ging ich nach Cizre. Ich habe Fragen gestellt, Antworten erhalten, und gespürt, was geschehen ist.”

Nach einer kurzen Unterbrechung sprachen die Richter Altınel frei. Ob die Staatsanwaltschaft in Berufung geht, ist noch unklar.