Friedensakademiker in der Türkei inhaftiert
Der Mathematiker Tuna Altınel, Verfasser des Friedensappells „Wir werden nicht Teil dieses Verbrechens sein“, ist in der Türkei wegen Terrorvorwürfen inhaftiert worden.
Der Mathematiker Tuna Altınel, Verfasser des Friedensappells „Wir werden nicht Teil dieses Verbrechens sein“, ist in der Türkei wegen Terrorvorwürfen inhaftiert worden.
Als ein Zeichen der Empörung über die Monate andauernden Ausgangssperren in Nordkurdistan, bei denen das türkische Militär mit äußerster Gewalt gegen die kurdische Zivilbevölkerung vorging, forderten unzählige Wisschenschaftler*innen im Januar 2016 in einer Petition das sofortige Ende der Gewalt gegenüber der kurdischen Bevölkerung.
Unter dem Titel „Wir werden nicht Teil dieses Verbrechens sein“ setzten sich mehr als 1.100 Wissenschaftler*innen und Intellektuelle von 89 Universitäten für ein Ende der „Vernichtungs- und Vertreibungspolitik gegenüber der gesamten Bevölkerung“ in Nordkurdistan ein und forderten die türkische Regierung auf, die Friedensverhandlungen mit dem kurdischen Volk wiederaufzunehmen. Später stieg die Zahl der Unterschriften auf über 2200.
Auf den Friedensappell folgte eine Entlassungswelle. Im Ausnahmezustand entließ die Regierung unter Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan per Notstandsdekret mehrere tausend Wissenschaftler*innen. Hunderte der Betroffenen sind Teil der Initiative „Akademiker*innen für den Frieden“. Erdogan bezeichnete sie als eine „Bande ignoranter, dunkler Gestalten“ und „Landesverräter“. Wer außerhalb des Parlaments Politik betreiben wolle, „soll Gräben ausheben oder in die Berge gehen“, sagte Erdogan. Es bestünde kein Unterschied, „ob jemand Kugeln im Namen einer Terrororganisation schießt oder ob er Propaganda für sie macht“, so der AKP-Chef, der betonte: „Wer das Brot dieses Staates isst, aber ihn verrät, gehört bestraft“ und rief die Justiz dazu auf, das Nötige gegen diesen „Verrat“ von „Pseudo-Wissenschaftlern“ zu unternehmen.
Massenprozess gegen Wissenschaftler*innen
Seit Dezember 2017 mussten bisher knapp 700 „Friedensakademiker*innen“ vor Gericht erscheinen. In 185 Fällen ergingen Urteile zu bis zu drei Jahren Haft wegen der Verbreitung von „Terrorpropaganda“. Die anderen Verfahren dauern noch an. Die Istanbuler Politikwissenschaftlerin Füsun Üstel von der Galatasaray Universität ist die erste Unterzeichnerin, die ihre Strafe antreten muss - ein Istanbuler Gericht hat sie vor wenigen Tagen zu einem Jahr und drei Monaten Haft verurteilt.
Seit Samstag befindet sich ein weiterer Wissenschaftler der „Akademiker*innen für den Frieden“ im Gefängnis. Tuna Altınel, Professor für Mathematik an der Universität Lyon I, war am Freitag in der westtürkischen Stadt Balikesir festgenommen worden, nachdem er die Polizei aufgesucht hatte, um sich über die Ausreisebestimmungen zu informieren, da sein Reisepass zuvor für ungültig erklärt worden war. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Wissenschaftler aufgrund seiner Teilnahme an einer Konferenz in Frankreich „Propaganda für eine terroristische Organisation“ vor. Gestern ordnete ein Gericht ini Balikesir Untersuchungshaft gegen Altinel an. Der Mathematiker Tuna Altınel ist Verfasser des Friedensappells „Wir werden nicht Teil dieses Verbrechens sein“. In dem Zusammenhang wurde er im Januar von einem Gericht in Istanbul zu einer 15-monatigen Bewährungsstrafe verurteilt.