Frankreich: IS-Dschihadist wegen Genozid angeklagt

Zum ersten Mal wird ein IS-Mitglied in Frankreich wegen „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ und der vorsätzlichen „Durchführung eines Genozids an der ezidischen Bevölkerung“ angeklagt.

In Frankreich beginnt zum ersten Mal ein Verfahren gegen ein Mitglied des „Islamischen Staats” (IS) unter dem Vorwurf des Genozids. Ein Sonderbeauftragter der Abteilung des „Gerichts für Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ bei der Pariser Staatsanwaltschaft hat gegen den IS-Dschihadisten Sabri Essid ein Verfahren wegen „der vorsätzlichen Durchführung eines Genozids an der ezidischen Bevölkerung und Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ eröffnet. Nach Vorermittlungen der Pariser Staatsanwaltschaft wurde im Oktober 2019 ein offizielles Verfahren gegen Essid eingeleitet.

Verfahren in Abwesenheit

Der Prozess stellt für Frankreich ein Novum dar, da nun zum ersten Mal ein Terrorverfahren im Zusammenhang mit dem Genozid geführt wird. In dem Verfahren werden ezidische Zeug*innen angehört. Das Verfahren wird in Abwesenheit gegen Essid geführt, da der Terrorist 2018 vom IS für tot erklärt wurde. Da der Tod aber nicht festgestellt werden konnte, geht das Gericht davon aus, dass er noch lebt. Auf dieser Grundlage wurde auch das Ermittlungsverfahren eingeleitet.

IS-Opfer belasten Essid schwer

Die Anwältin Clémence Bectarte von der Internationalen Menschenrechtsföderation (FIDH) erklärte, man werde nun zunächst Spuren und Beweise sammeln und Zeug*innen anhören. Das Gericht werde dann entscheiden, ob es das Verfahren eröffnet. Bectarte erzählt von ihrer Arbeit in Südkurdistan: „Wir haben ehemalige vom IS gefangen gehaltene Frauen als Zeuginnen zusammengebracht. Sie haben uns viele Dinge über die Henker und über diejenigen, die sie kauften und verkauften, erzählt. Wir konnten uns durch die Informationen, die uns die gefangen genommenen und anschließend verkauften, vergewaltigten und sexualisierter Gewalt ausgesetzten Frauen zukommen ließen, ein klares Bild von Sabri Essid machen.“

Sabri Essid

Nahm am Genozid gegen die Ezid*innen teil

Essid ist kein Unbekannter. Er wurde schon 2009 wegen seiner Beteiligung an dschihadistischen Gruppen im Irak zu fünf Jahren Haft verurteilt. Im Gefängnis radikalisierte er sich weiter. Er schloss sich der radikalsten dschihadistischen Gruppe in Frankreich ‒ der sogenannten Toulouse-Gruppe ‒ an und ging 2014 nach Syrien. Der Attentäter von Toulouse 2012, Mohamed Merah, ist sein Halbbruder. Im Nordirak beteiligte sich Essid am Genozid an der ezidischen Bevölkerung.