Nachdem vor zwei Wochen verschiedene Römer-Fraktionen darum gebeten wurden, eine Resolution nach Krefelder- und Berliner Vorbild zu verabschieden, legten die LINKE und die CDU am 16. Juli dem Ältestenausschuss der Stadtverordnetenversammlung einen Resolutionsantrag zur Verurteilung der türkischen Angriffskriege vor. Da sie nicht fristgerecht zum 14. Juni eingereicht werden konnte, wäre eine Abstimmung nur möglich gewesen, wenn zweidrittel der Mitglieder des Ältestenausschusses ihre Dringlichkeit bejaht hätten.
Die Regierungskoalition aus Grünen, SPD, VOLT und FDP hat dies nicht getan. SPD und VOLT haben jedoch signalisiert, dass sie die Resolution unterstützen. In einer Pressemitteilung vom 14. Juli verurteilt die SPD-Fraktion die völkerrechtswidrige Aggression der Türkei:
„Wir sind zutiefst erschüttert über die anhaltenden Kriegshandlungen. Insbesondere im Hinblick auf die in Frankfurt lebenden kurdischen, aber auch regierungskritischen türkischen Mitbürgerinnen und Mitbürger verurteilt unsere Fraktion die Angriffe der Türkei aufs schärfste. Wir solidarisieren uns mit den Opfern und fordern die türkische Regierung dazu auf, jegliche Angriffe, die sie seit dem 18.04.2022 auf von Kurdinnen und Kurden bewohnte Gebiete im Nordirak und Nordsyrien führt, einzustellen.“
Auch Volt äußert in einer Pressemitteilung: „Die Fraktion Volt im Römer verurteilt die Militäroffensive der türkischen Regierung in Nordsyrien und Nordirak auf das Schärfste und solidarisiert sich mit den Opfern und den in Frankfurt lebenden Freunden und Familien. Die völkerrechtswidrigen Angriffe gefährden die Freiheit und Autonomie von Millionen Menschen. Eine weitere Destabilisierung der Region durch kriegerische Auseinandersetzung könnte den Terrormilizen des sogenannten Islamischen Staat sogar in die Karten spielen (...) Die Kurd*innen haben zwischen 2013 und 2019 maßgeblich zum Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) beigetragen. Für ihren Kampf für Freiheit und Autonomie haben sie die Gleichberechtigung von Frauen, Ökologie und Demokratie als feste Grundprinzipien festgelegt. Die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“, den Schutz der Würde der Menschen oder die Achtung Glaubensfreiheit sind nur einige Beispiele, welche die emanzipatorische Kraft der kurdischen Selbstverwaltung zum Ausdruck bringen. Mit einer Zahl von etwa 30 Millionen ist die kurdische Bevölkerung die weltweit größte Gruppe ohne Autonomie und Unabhängigkeit von anderen Staaten.“
Aber aus Gründen der Koalitionsdisziplin verneinten SPD und Volt die Dringlichkeit, wenn auch gegen ihre Überzeugung.
Zweierlei Völkerrecht für Grüne und FDP?
Die CDU-Fraktion stellte einen eigenen Dringlichkeitsantrag mit der Überschrift: „Frankfurt zeigt Solidarität mit den Opfern der völkerrechtswidrigen Angriffe in Nordirak und Nordsyrien“ und fordert von der Stadtverordnetenversammlung einen Beschluss, der „jede völkerrechtswidrige Auseinandersetzung“ verurteile, so auch „den Krieg der Türkei gegen kurdische, alevitische, yezidische und christliche Volksgruppen in Syrien und Irak“. Sie solle sich an die Seite der Opfer sowie deren in Frankfurt lebende Freunde und Familien stellen.
Verantwortlich für die Ablehnung der Dringlichkeit durch die Koalitionsfraktionen sind die Grünen und die FDP, für die es offenbar zweierlei Völkerrecht gibt. Die fortwährenden Angriffe auf die Menschen in Nordsyrien und Nordirak haben für sie keine Dringlichkeit. Es ist ein Ausdruck von krasser Doppelmoral, wenn der Aggressor Wladimir Putin in der Ukraine-Resolution vom 24. Februar verurteilt wird, der Aggressor Recep Tayyip Erdogan jedoch geschont wird. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestags widerspricht dem türkischen Rechtfertigungsnarrativ übrigens klar.
Noch am 6. Juli hat der Kreisverband der Frankfurter Grünen anlässlich einer Besetzung ihres Büros versprochen: „Wir haben die Resolution aus Krefeld zur Kenntnis genommen und halten sie für unterstützenswert und werden uns als GRÜNE auch in Frankfurt für die Verabschiedung einer ähnlichen Resolution stark machen.“ Bis heute ist dies eine leere Versprechung, denn es gibt weder eine Erklärung der Grünen noch einen eigenen Resolutionsantrag.
FDP: Krieg in Syrien dauert doch schon zehn Jahre an
Yanki Pürsün, Fraktionsvorsitzender der FDP, hat mit einer besonders durchsichtigen Begründung die Dringlichkeit des Linken-Antrags verneint: Der Krieg in Syrien dauere schon zehn Jahre an, die neuerlichen Angriffe hätten bereits am 18. April 2022 begonnen und der Verein Städtefreundschaft Frankfurt-Kobane e.V., von dem die Initiative zur Resolution ausging, existiere auch schon seit 2016. Zuvor hatte Pürsün die Resolution abgelehnt, weil sie keinen kommunalen Bezug habe. Der fehlte aber auch im Falle der Ukraine-Resolution, die richtigerweise mit der UN-Charta, dem Völkerrecht, der Verurteilung kriegerischer Handlungen begründet wurde.
Michael Müller von der Linken bemerkte dazu, dass der Krieg in der Ukraine auch bereits seit 2014 andauere. Mit der erfolgreichen Erpressung durch die Türkei anlässlich des Nato-Beitrittsgesuchs von Schweden und Finnland, durch die verstärkten Angriffe der letzten Zeit in Nordostsyrien und Nordirak, und der Ausrufung des Ausnahmezustands durch die Selbstverwaltung von Nordostsyrien sei die Dringlichkeit offensichtlich. Die FDP wolle nur von den wirklichen Gründen ihrer Ablehnung ablenken.
Im Resolutionsantrag der Linken wird die Stadtverordnetenversammlung dazu aufgefordert, sie möge „jegliche völkerrechtswidrige Kriegshandlungen“ verurteilen, insbesondere „im Hinblick auf die in Frankfurt lebenden kurdischen, aber auch regierungskritischen türkischen Mitbürger*innen - die Angriffe, welche die Türkei seit dem 18. April 2022 auf von Kurd*innen bewohnte Gebiete im Nordirak und in Nordsyrien (Rojava) führt“. Sie solle sich mit den Opfern solidarisieren und die türkische Regierung dazu auffordern, Angriffe auf den Nordirak und Nordsyrien einzustellen.
Wiedervorlage der Anträge im September
In der Stadtverordnetenversammlung vom letzten Samstag wurden die Anträge der Linken und der CDU zwar nicht zur Abstimmung gebracht, in der nächsten Plenarsitzung nach der Sommerpause am 22. September ist aber eine Wiedervorlage vorgesehen. Unter Umständen werden dann aber auch neue türkisch-islamistische Besatzungszonen, neue Fluchtbewegungen und weitere ethnische Säuberungen thematisiert werden müssen.