Die türkische Polizei hat in Istanbul eine Kundgebung des Provinzverbands der Demokratischen Partei der Völker (HDP) gewaltsam aufgelöst und mehrere Personen festgenommen. Unter den Betroffenen ist neben Cengiz Çiçek vom HDP-Exekutivrat auch ein Mitarbeiter des Ex-Vorsitzenden und Abgeordneten Sezai Temelli, gegen den Uniformierte ebenfalls gewaltsam vorgingen. Zu wie vielen Festnahmen es insgesamt gekommen ist, war zunächst noch unklar.
Die politischen Gefangenen in der Türkei sollen mit untragbaren Haftbedingungen und Isolation zur Kapitulation, zum Verrat und zur Aufgabe ihrer Persönlichkeit gezwungen werden. Dagegen findet seit dem 27. November ein Massenhungerstreik statt, der zunächst von Gefangenen aus PKK- und PAJK-Verfahren initiiert wurde, an dem sich inzwischen aber auch Inhaftierte anderer Bewegungen beteiligen. Um Öffentlichkeit und Aufklärung für den andauernden Hungerstreik zu schaffen und Solidarität zu organisieren, haben sich am Freitag Mitglieder der HDP vor der Süreyya-Oper im Istanbuler Bezirk Kadıköy versammelt. Der Platz wurde bereits Stunden vor der Kundgebung großflächig abgeriegelt.
Der Übergriff der Polizei erfolgte erst, nachdem sich der Versammlungsort gefüllt hatte. Medienschaffenden wurde der Zugang zum Opernvorplatz ohne Angabe von Gründen untersagt. Nur wenigen Journalistinnen und Journalisten gelang es, die Polizeibarrieren zu überwinden. Unklar ist zurzeit auch, auf welche Wache die festgenommenen Aktivist*innen gebracht wurden.
Temelli: Reproduktion der Mentalität vom 12. September
Der HDP-Abgeordnete Sezai Temelli verglich die derzeitigen Zustände in türkischen Haftanstalten mit den Methoden zur Zeit der Militärjunta vor vierzig Jahren. „Morgen jährt sich der Jahrestag der sogenannten ‚Operation Rückkehr ins Leben‘. Das, was wir heute erleben, ist eine Reproduktion der Mentalität vom 12. September. Die Küche der Junta sind die Gefängnisse. Es ist diese faschistische Mentalität, die heute allen Rechtsverletzungen in den Haftanstalten zugrunde liegt.“ Temeli führte weiter aus, dass die Isolation gegen den PKK-Gründer Abdullah Öcalan nicht nur die Gefängnisinsel Imrali betreffe, sondern ein faschistisches Verständnis widerspiegele, das die Rechte des ganzen Landes ignoriert. „Das ganze Land ist isoliert, denn das ganze Land wurde in ein offenes Gefängnis verwandelt“, so der Politiker.