Mitglieder der internationalen „Delegation für Frieden und Freiheit in Kurdistan“ sind gestern bei ihrer Rückkehr aus Südkurdistan (Kurdistan-Region Irak) am Frankfurter Flughafen festgenommen worden. Die Delegation war Anfang des Monats nach Südkurdistan gereist, um auf die türkische Invasion in der Region aufmerksam zu machen und Gespräche mit Vertreter:innen aus Politik und Zivilgesellschaft zu führen. Drei Schweizer Mitglieder konnten über den Frankfurter Flughafen problemlos einreisen, im Fall von sechs deutschen Staatsangehörigen führte die Bundespolizei eine Ingewahrsamnahme und Befragungen durch. Erst nach Stunden wurden sie wieder freigelassen.
Delegationsteilnehmer der Basisgewerkschaft FAU verurteilen in einer Erklärung die Vorgänge als politische Unterstützung der Diktatur Türkei. Dort heißt es weiter:
Was ist passiert? Heute, am Nachmittag des 23. Juni kam es bei der Rückreise von Teilnehmer:innen einer zivilgesellschaftlichen Friedensmission aus dem nordirakischen Kurdistan zu temporären Festnahmen und Verhören durch die Bundespolizei. Insgesamt wurden sechs Aktivist:innen mehrere Stunden festgesetzt und befragt. Während der gesamten Reise berichteten die Delegierten von Beschattungen, Ein- und Ausreiseverboten, Verleumdungen und Einschüchterungen, sowohl von deutscher, türkischer als auch von nordirakischer Seite.¹ Dabei erregten von der Bundespolizei ausgesprochene Ausreiseverbote gegen 13 Delegationsmitglieder am 12. Juni in Düsseldorf besonderes Aufsehen.²
Wolf Meyer als ein Mitglied der Delegation von Seiten der Basisgewerkschaft FAU zeigt sich aufgebracht über den Vorgang: „Wie schon bei Rüstungsexporten, dem Umgang mit der kurdischen Bewegung in Deutschland und vielen anderen Anlässen machen deutsche Behörden hier mal wieder keinen Hehl daraus, dass ihnen ein gutes Verhältnis mit dem Diktator Erdogan wichtiger ist als Demokratie, Umweltschutz, Menschenrechte oder die Sicherheit von Bundesbürger:innen. Es zeigt einmal mehr, wie wichtig und aktuell die Mission der Delegation ist und war: Humanismus und Menschenrechte müssen von unten durchgesetzt werden, da wir von unseren Regierungen dahingehend nichts erwarten können. Deshalb machen wir weiter, egal wie sehr uns BND, Bundespolizei, MiT und Graue Wölfe einschüchtern wollen."
Die Delegation ist seit dem 8. Juni in der Autonomen Region Kurdistan unterwegs um die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf die jüngsten völkerrechtswidrigen Angriffe der Türkei im Nordirak zu lenken. Die Regierung der Autonomen Region deckt dabei aus wirtschaftlicher und politischer Abhängigkeit von der Türkei heraus die Angriffe im Rahmen einer Appeasement-Politik. Die Delegation traf Gewerkschaften, Parteien, Regierungsvertreter:innen, Organisationen der Zivilgesellschaft, Kriegsflüchtlinge und Angehörige von Opfern der jüngsten Militär-Operationen.
1 - Chronik der Repression
Beginn der Delegation: Beschattungen durch Geheimdienste, die Agent:innen sprechen deutsch, kurdisch, türkisch.
8. Juni: Erste Einreiseverbote in Erbil (Hewlêr), binnen einer Woche sind über 50 Delegierte betroffen. Sie müssen teils tagelang im Transitbereich des Flughafens ausharren.
9. Juni: Eine Abordnung der Delegation in Erbil, v.a. bestehend aus Politiker:innen, welche sich mit lokalen Parteien treffen wollte, wird durch Polizei und Militär gestoppt, das Innenministerium der Autonomen Region Kurdistans bezeichnet die Delegation als Terrorist:innen
10. Juni: Drei Mitglieder der syrischen Partei PYD werden verhaftet.
11. Juni: Hotelzimmer von Delegationsteilnehmenden werden in deren Abwesenheit offensichtlich durchsucht, die Anzahl an offensichtlichen Observant:innen nimmt deutlich zu.
12. Juni: In Düsseldorf wird 13 Bundesbürger:innen die Ausreise durch die Bundespolizei untersagt, die Maßnahme wird mit einem Schutz der Beziehungen zur Türkei begründet, in Erbil wird der Berliner Linken-Abgeordnete Hakan Taş über 15 Stunden festgehalten und befragt, seine Begleitung wurde bereits bei einem Zwischenstopp in Katar zurück geschickt. Eine Reihe von festgehaltenen Delegierten treten im Transitbereich des Erbiler Flughafens in den Hungerstreik.
14. Juni: Ein Tag nach dem offiziellen Zusammentreffen mit dem Außenminister der Autonomen Region Kurdistans wird eine geplante Pressekonferenz vor dem UN-Gebäude in Erbil verboten, die gesamte Delegation für zwei Tage unter Hotel-Arrest gesetzt.
23. Juni: 6 Mitglieder der Delegation werden bei Wiedereinreise nach Deutschland mehrere Stunden festgehalten und verhört.
2 - https://www.zeit.de/news/2021-06/12/flug-nach-erbil-bundespolizei-befragt-linken-abgeordnete?utm_referrer=https%3A%2F%2Fduckduckgo.com%2F