Fast 1800 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge werden vermisst

Aus einer Anfrage der Linksfraktion an die Bundesregierung geht hervor, dass 1785 unbegleitete Kinder und Jugendliche in Deutschland vermisst gemeldet sind.

1785 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge - 1074 Jugendliche und 711 Kinder - sind in Deutschland zum Stichtag 20. März als vermisst gemeldet. Dies geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der innenpolitischen Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Ulla Jelpke, hervor.

Sinkende Zahl kein Grund zur Entwarnung

Obwohl die Zahl immer noch alarmierend hoch ist, ist sie im Vergleich zum Vorjahr deutlich zurückgegangen. Anfang 2019 galten in Deutschland nach Angaben des Bundeskriminalamts 3193 minderjährige Geflüchtete als vermisst. 884 von ihnen waren Kinder bis 13 Jahre, 2308 waren Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren. Wie hoch die reale Zahl ist, kann nicht beziffert werden, da Jugendliche mit Erreichen der Volljährigkeit aus der Statistik genommen werden.

Ulla Jelpke kommentiert: „Die Zahl der als vermisst gemeldeten unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge ist in den vergangenen Jahren erkennbar zurückgegangen. Allerdings dürfte ein Teil der als vermisst gemeldeten Jugendlichen schlicht die Volljährigkeit erreicht haben und somit aus der Statistik herausgefallen sein. Außerdem ist die Zahl der in Deutschland registrierten unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden in den letzten Jahren ebenfalls stark gesunken.“

Dies spiegelt sich auch im vergleichsweise geringen Absinken der Zahlen bei den Kindern im Vergleich zu den Jugendlichen wieder. Nur bei etwas mehr als der Hälfte der Vermisstenfälle, also bei 1817 Kindern und Jugendlichen, konnte der Verbleib aufgeklärt werden.

Unbegleitete Kinder und Jugendliche besonders gefährdet

Für die Bundesregierung kommen mehrere Faktoren für das Verschwinden von geflüchteten Kindern und Jugendlichen in Frage. So seien manche zu Familienangehörigen innerhalb Deutschlands oder im europäischen Ausland weitergereist. Auch Unzufriedenheit mit der Unterbringung oder die Verteilentscheidung der Jugendämter könne eine Rolle spielen. Die Bundesregierung warnt aber auch, dass Menschenhandel und Ausbeutung durch die besondere Verletzlichkeit von unbegleiteten Jugendlichen begünstigt werden. Dabei spielen sowohl Trennung von der Familie, Perspektivlosigkeit und unsicherer Aufenthalt eine wichtige Rolle. Häufig werde die Abhängigkeit von kriminellen Netzwerken durch Behörden und Hilfseinrichtungen nicht erkannt, sodass keine Beratung und spezialisierte Unterbringung stattfänden. Bei den Herkunftsländern der Vermissten liegt Afghanistan gefolgt von Syrien weit vorne.

Jelpke: Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen müssen berücksichtigt werden

Ulla Jelpke kritisiert den Ansatz der Bundesregierung, vor allem durch Erfassung und Registrierung dem „Verschwinden“ entgegen wirken zu wollen: „Irritierend ist der allein auf Kontrolle ausgerichtete Ansatz der Bundesregierung. Als Gegenmittel gegen das Verschwinden von geflüchteten Kindern und Jugendlichen nennt sie eine frühzeitige Registrierung in Ankerzentren und Aufnahmeeinrichtungen. Dabei fehlt den Betreibern dieser Einrichtungen häufig die fachliche und pädagogische Qualifikation, um angemessen mit den Minderjährigen umzugehen.

Wichtiger wäre es, der besonderen Vulnerabilität der Jugendlichen Rechnung zu tragen und ihre Bedürfnisse zu berücksichtigen, etwa bei der Entscheidung über den Ort der Unterbringung. Von zentraler Bedeutung ist zudem eine sichere aufenthaltsrechtliche Perspektive, um zu vermeiden, dass Jugendliche aus Angst vor Abschiebung untertauchen und in die Abhängigkeit krimineller Netzwerke geraten.“