Die Angehörigen von Abdullah Öcalan und seinen Mitgefangenen haben bei den türkischen Justizbehörden einen Antrag auf Erteilung einer Besuchserlaubnis gestellt. Der Antrag wurde am Freitag sowohl bei der Oberstaatsanwaltschaft in Bursa als auch bei der Vollzugsleitung des Inselgefängnisses Imrali, wo Öcalan sowie Ömer Hayri Konar, Hamili Yıldırım und Veysi Aktaş inhaftiert sind, eingereicht. Neben ihren Angehörigen fordert auch der Rechtsanwalt Mazlum Dinç, der zugleich Bevollmächtigter von Öcalan ist, Zugang zur Insel. Eine Antwort der Behörden liegt noch nicht vor.
Abdullah Öcalan befindet sich seit seiner Verschleppung in die Türkei im Jahr 1999 auf der im Marmarameer gelegenen Gefängnisinsel Imrali in Isolationshaft. Der letzte Kontakt zu ihm war ein Telefongespräch mit seinem Bruder im März des vergangenen Jahres, das nach wenigen Minuten unterbrochen wurde. Mit seinem Rechtsbeistand von der Istanbuler Kanzlei Asrin hatte Öcalan zuletzt im August 2019 Kontakt. Nach acht Jahren Unterbrechung waren mit einem von der inzwischen wieder inhaftierten Politikerin Leyla Güven angeführten Hungerstreik insgesamt fünf Anwaltsbesuche durchgesetzt worden. Der letzte Familienbesuch auf der Insel wurde im März 2020 abgesegnet.
Betroffen von der Isolation auf Imrali sind auch Öcalans drei Mitgefangene, die 2015 im Zuge des Dialogs zwischen dem kurdischen Vordenker und dem türkischen Staat in das Inselgefängnis verlegt wurden. Mehrfach sind in den letzten Jahren jeweils sechsmonatige Besuchsverbote für Imrali erteilt worden, die mit Disziplinarstrafen gegen die Gefangenen in den Jahren 2005 bis 2009 begründet wurden. Auch die 2009 von Abdullah Öcalan verfasste „Roadmap für Verhandlungen“, die dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) als Verteidigungsschrift vorgelegt wurde, wird immer wieder für die Unterbindung von Besuchen herangezogen.
Erschreckender Jahresbericht über Rechtsverletzungen und Haftbedingungen
Am Dienstag hat das Rechtsbüro Asrin einen Jahresbericht zur Lage im Sondergefängnis Imrali vorgestellt. In dem Dokument stellt die Kanzlei fest, dass das Isolationssystem auf der Insel auf einer völligen Missachtung der in der türkischen Verfassung und der europäischen Menschenrechtskonvention festgelegten Verpflichtungen beruht und „gegen das Folterverbot, die Grundrechte und -freiheiten, die universellen Grundsätze und Regeln sowie die demokratischen Werte“ verstößt. Darüber hinaus führe es zur Abschaffung der Rechte und Freiheiten in der Türkei. Laut Asrin bestehe eine Ursache-Wirkung-Beziehung zwischen den abschreckenden Bedingungen im Land und der absoluten Isolation auf Imrali. „Andererseits waren die Momente, in denen Herr Öcalan am Dialog mit der Gesellschaft teilnahm, Momente der Hoffnung und der Erleichterung für alle Menschen in der Türkei“, so die Kanzlei. „Alle politischen, sozialen und rechtlichen Parameter erfordern, dass Familien- und Anwaltsbesuche bei Herrn Öcalan und den anderen Mandanten stattfinden, wir sofort Nachricht von ihnen erhalten, Bedingungen für Freiheit und Sicherheit geschaffen werden und eine Politik des Dialogs und der Verhandlungen über die kurdische Frage verfolgt wird.“