Ende 2012 begann ein Friedensprozess der PKK mit Vertretern der Regierung vom damaligen Ministerpräsidenten und heutigen Staatschef Recep Tayyip Erdogan, der Ende Juli 2015 von ihm einseitig beendet wurde. Die türkische Regierung ging wieder zur Strategie des Staatsterrors gegen die Kurd*innen und alle oppositionellen, insbesondere demokratischen und linken Kräfte über. Es folgte eine über mehrere Monate andauernde Militärbelagerung in Städten wie Amed (Diyarbakir), Şirnex (Şırnak), Cizîr (Cizre) und Nisêbîn (Nusaybin), der Hunderte Menschen zum Opfer fielen. Rund vier Jahre danach ist die genaue Zahl der Opfer noch immer nicht bekannt. Anschließend wurden mit umfangreichen und großräumigen Luftangriffen Guerillagebiete in Südkurdistan bombardiert.
Nach dem Ende des Friedensprozesses wurden zwischen dem 24. Juli 2015 und dem 21. September 2016 insgesamt 13 türkische Soldaten und Polizisten bei Straßenkontrollen der Volksverteidigungskräfte (HPG) festgenommen. Lange Zeit waren ihre Familien in Unkenntnis der Situation ihrer gefangenen Angehörigen. Nun haben die von der Guerilla festgenommenen Polizisten und Soldaten Briefe formuliert, die in Ankara dem Menschenrechtsverein IHD zur Weiterleitung an ihre Familien übergeben wurden. Nach der Aushändigung der Briefe kamen die betroffenen Familien vor zwei Tagen in den Räumlichkeiten des IHD zu einem gemeinsamen Gespräch zusammen. Auf einer anschließenden Pressekonferenz gaben Öztürk Türkdoğan als Ko-Vorsitzender des Menschenrechtsvereins und Raci Bilici aus dem IHD-Vorstand Details zu dem Treffen bekannt.
„Wir können vermitteln“
Der Menschenrechtsverein IHD hat in der Vergangenheit mehrfach Initiativen zur Freilassung von der Guerilla gefangener türkischer Soldaten und Polizisten gestartet. Auch jetzt betont Türkdoğan wieder, dass der IHD bereit sei, erneut die Vermittlerrolle zu spielen. Zu den gefangenen Staatsbedienten erklärte er: „Der Polizeibeamte Vedat Kaya wurde am 24. Juli 2015 auf der Straße zwischen Bingöl und Diyarbakır gefangen genommen. Am 28. Juli 2015 wurde der Polizeibeamte Sedat Yabalak auf der Straße zwischen Bingöl und Diyarbakır gefangen genommen. Am 13. August 2015 wurden der Offizier Hüseyin Sarı sowie die einfachen Soldaten Sedat Sorgun und Süleyman Sungur auf der Strecke zwischen Diyarbakir und Lice gefangen genommen. Am 18. September 2015 wurde der Unteroffizier Semih Özbey zwischen Dersim und Ezirgan (Erzincan) gefangen genommen. Am 2. Oktober 2015 wurden die einfachen Soldaten Müslüm Altuntaş und Adil Kavaklı auf der Straße zwischen Dersim und Pülümür gefangen genommen. Am 12. Dezember 2015 wurden im Zentrum von Şırnak die Offiziere Sedat Vardar und Ferdi Polat gefangen genommen. Am 21. September 2016 wurden in Hakkari die Offiziere Ümit Gıcır und Mevlüt Kahveci gefangen genommen.“
„Der Staat lässt unseren Hilferuf unbeantwortet“
Nach Angaben von Türkdoğan sei das Schicksal von Sedat Vardar und Ferdi Polat weiterhin unklar. Der Menschenrechtler fordert daher eine Erklärung über die Situation der beiden. Türkdoğan sagte, die Regierung habe die Aufrufe der Familien und des IHD zu diesem Thema unbeantwortet gelassen.
„13 eurer Mitbürger befinden sich in Gefangenschaft“
Türkdoğan steht auch dem Schweigen der Öffentlichkeit in der Türkei zu diesem Thema gegenüber und fordert Engagement für die gefangenen Staatsbediensteten: „Wisst ihr, dass sich dreizehn eurer Mitbürger in Gefangenschaft befinden? Redet mal etwas über ihre Lage. Sie können ihre Familien seit vier Jahren nicht sehen.“ Auf der Pressekonferenz ergriffen auch die Familien das Wort und kritisierten ebenfalls das öffentliche Schweigen. Anschließend brachen die Angehörigen zu einem Treffen im Parlament mit Vertreter*innen der Fraktionen von HDP, CHP und AKP auf.
Treffen mit HDP
An dem Gespräch nahmen die HDP-Fraktionsvorsitzenden Fatma Kurtulan und Saruhan Oluç teil, Öztürk Türkdoğan und Raci Bilici vom IHD begleiteten die Familien. Die HDP gab daraufhin bekannt, dass sie seit dem Tag der Festnahme alles in ihrer Macht Stehende tun, damit die gefangenen Soldaten und Polizisten wieder mit ihren Familien zusammenkommen. Der Menschenrechtsverein kündigte an, die Bemühungen für die Freilassung der Betroffenen fortzusetzen.