Seit fünfzig Tagen sitzt Emine Şenyaşar vor dem Gerichtsgebäude in der nordkurdischen Stadt Riha (tr. Urfa) und fordert Gerechtigkeit für ihre Familie. Auf dem Twitteraccount der Familie heißt es: „Sie reden immer von Gesetz! Aber drei unserer Angehörigen wurden in einem öffentlichen Krankenhaus getötet! Kein einziger der Täter wurde verhaftet. Ohne die Überwachungsaufnahmen hätten sie wahrscheinlich sogar gesagt, die Ärzte hätten diese Menschen ermordet. Es ist bittere Realität: Für uns gibt es jetzt keine Gerechtigkeit!“
Die Morde von Pirsûs
Die Familie ist von den Ereignissen vom 24. Juni 2018 gezeichnet. Aus dem Umfeld des AKP-Abgeordneten Halil Yıldız wurde ihr Mann und ihre beiden Söhne grausam ermordet. Das Verbrechen ereignete sich auf der Wahlkampftour des Abgeordneten in der nordkurdischen Stadt Pirsûs (tr. Suruç). Der AKP-Abgeordnete betrat mit seinen Leibwächtern den Laden der Familie und verlangte von den Anwesenden für ihn zu stimmen. Als die Familienmitglieder protestierten, eröffneten die Leibwächter das Feuer. Dabei wurden mehrere Familienmitglieder verletzt, Celal und Adil Şenyaşar wurden schwer verletzt und ins Krankenhaus von Suruç abtransportiert. Im Krankenhaus wurden beide von einem Mob von Verwandten des AKP-Politikers totgeschlagen. Auch der Vater Haci Esvet (67) wurde, als er das Krankenhaus besuchte, totgeprügelt. Die Videoaufnahmen der Überwachungskameras befinden sich unter Geheimhaltung, und es wurde bisher keiner der Täter gefasst. Stattdessen wurde der dritte Sohn von Emine Şenyaşar, Fadıl, zu 37 Jahren Haft verurteilt. Unter fadenscheinigen Gründen und ohne eine ballistische Untersuchung wurde er des Mordes am Bruder des Abgeordneten Ibrahim Halil Yıldız beschuldigt. Augenzeugen zufolge wurde er durch einen Querschläger der Schüsse der Leibwächter getötet.