Fahnenprozess in Nürnberg: Staatsanwaltschaft knickt ein

Späte Einsicht in einem der wohl absurdesten Fahnenprozesse in Bayern: Die Staatsanwaltschaft bietet Einstellung des Verfahrens gegen Nico Schreiber von den Falken ein. Die Staatskasse bleibt auf den Kosten sitzen.

Einer der wohl absurdesten Fahnenprozesse in Bayern ist nun endgültig Geschichte. Es begann bereits im Februar 2018. Als die Türkei den nordsyrischen Kanton Efrîn überfiel, gab es überall Proteste, so auch in Nürnberg. Die Demonstration damals wurde durch eine Fahnenaktion auf dem Dach des SPD-Hauses unterstützt. Man zeigte drei Pappkartons, die zusammen die Fahne der Selbstverteidigungskräfte der YPG darstellten. Im Anschluss erhielt Nico Schreiber, Vorsitzender der Nürnberger „Sozialistischen Jugend – Die Falken“ einen Strafbefehl. Er habe die Fahne der HPG gezeigt, die in Deutschland verboten ist.

Staatsanwalt erhielt Nachhilfe in Fahnenkunde

Obwohl jedermann klar war, dass es sich um die Symbole der YPG handelte, sollte im Gerichtssaal anhand von Videobeweisen geklärt werden, welche Fahne die Pappkartons nun darstellten. Die Staatsanwaltschaft erhielt daraufhin eine Nachhilfe in Fahnenkunde: „Die Symbole der HPG und der YPG [sind eigentlich] nicht zu verwechseln. Ersteres besteht aus zwei gleich großen Dreiecken, die nicht gleichschenklig, dafür aber nebeneinander angeordnet sind und einem Stern. Letzteres besteht aus zwei unterschiedlich großen, dafür aber gleichschenkligen Dreiecken, die hintereinander angeordnet sind und einem Stern.“ Dem konnte das Gericht jedoch nicht folgen und bestand darauf, dass die Kartons das Symbol der HPG darstellten. Schreiber wurde zu 30 Tagessätzen verurteilt.

Eindeutige Geometrie: keine gleich großen Dreiecke

Beide Seiten legten daraufhin Berufung ein. Dann in der 2. Instanz folgte ein Freispruch. Die Geometrie war eindeutig: keine gleich großen Dreiecke! Doch die Staatsanwaltschaften in Bayern geben bekanntermaßen so schnell nicht auf. Im Mai 2020 kam es zur Revisionsverhandlung vor dem Oberlandesgericht. Der Freispruch wurde wieder aufgehoben mit der Begründung, das Landgericht habe das Urteil nicht ausreichend begründet. Die Sache wurde ans Landgericht zurück verwiesen.

Oberstes Landesgericht: Zeigen von YPG/YPJ-Symbolen nicht verboten

Inzwischen stellte im Dezember 2020 das Bayerische Oberste Landesgericht fest: Das Zeigen der Symbole der YPG und YPJ ist nicht verboten. Die strafrechtliche Verfolgung von YPG/YPJ-Symbolen sollte hiermit beendet sein. Daraufhin – nach drei Monaten – bietet die Staatsanwaltschaft dem Vorsitzenden der Falken an, einer Einstellung des Verfahrens zuzustimmen. Schreiber kommt dem nach, zumal die Kosten des Verfahrens gänzlich von der Staatskasse übernommen werden müssen. Er bedankt sich bei allen Unterstützter*innen und erklärt, alle eingegangenen Spenden an die Rote Hilfe weiterzugeben.

Schreiber: Solidarität ist stärker als die Repression

Abschließend betont Schreiber, dass es zwar lästig und anstrengend ist, politische Prozesse zu führen, dass es sich letztlich aber lohnt. Denn dies „trägt dazu bei, dass der oder die Angeklagte sich nicht schwach, einsam, klein fühlt, sondern stark, richtig, mit vielen Genoss*innen im Rücken und […] es hat uns auch ganz praktisch gelehrt, was Solidarität bedeutet. Und unsere Solidarität ist stärker als die Repression von Polizei und Staat.“