Mit einem Aufruf wenden sich mehr als fünfzig ezidische Organisation und Vereine in Deutschland bezüglich der Pläne und Angriffe gegen Şengal an die Öffentlichkeit. Hintergrund ist das im vergangenen Oktober zwischen der Zentralregierung des Irak und der südkurdischen Leitung in Hewlêr (Erbil) getroffene Abkommen zur Übernahme der Region. Bagdad fordert, die autonomen Sicherheitskräfte Asayîşa Êzîdxanê in Şengal der staatlichen Kontrolle zu übergeben. „Die Angriffe auf die Bevölkerung Şengals und die ezidischen Sicherheitskräfte Asayîşa Êzîdxan dürfen nicht stillschweigend hingenommen werden”, erklären die Organisationen und rufen zur verstärkten Solidarität auf.
„Durch das Einwirken und den Druck des türkischen Präsidenten Erdoğan haben die Regierenden in Bagdad und Erbil am 9. Oktober 2020 ein Abkommen hinsichtlich der Zukunft Şengals vereinbart. Ziel dieses Abkommens ist es, die Errungenschaften des ezidischen Volkes in Şengal zu torpedieren. Die Vereinbarung zwischen Erbil und Bagdad hat die ezidische Gemeinschaft und das Volk in Şengal in große Angst und Sorge versetzt. Trotz massiver Bedenken der ezidischen Gemeinschaft bezüglich dieser Pläne und der wiederholten Bitte, unter Einbezug der ezidischen Gemeinschaft selbst, bestehende Differenzen einvernehmlich zu überwinden, beharren Erbil und Bagdad auf die Umsetzung ihres Abkommens. Zuletzt haben Vertreter der irakischen Regierung mit Angriffen und weiteren Drohungen auf den Dialogaufruf seitens der Eziden reagiert. Diese aggressive Haltung hat als Konsequenz zu entscheidender Ablehnung innerhalb der ezidischen Gemeinschaft und der kurdischen Gesellschaft geführt.
Insbesondere in Şengal, aber auch in anderen Gebieten, in welchen unsere Gemeinschaft präsent ist, gibt es Widerstand und Ablehnung gegen dieses Abkommen. Die Angst vor dem Einwirken der irakischen Regierung auf Şengal basiert auf tragischen Erfahrungswerten: Die irakische Regierung war nicht im Stande, das eigene Volk gegen den Islamischen Staat (IS) zu schützen. Zudem war und ist sie mitverantwortlich beim Erstarken des IS. Am 3. August 2014 hat der irakische Staat komplett versagt und das ezidische Volk und ihre Heimat schutzlos dem IS überlassen. Auch die etwa 13.000 anwesenden Peschmerga der Regierung Erbils, die eigentlich zum Schutz der Eziden dort stationiert waren, sind ihrer Aufgabe nicht nachgekommen und haben somit zum Genozid an unserem Volk beigetragen.
Bagdad und Erbil riskieren, dass sich die Geschichte wiederholt. Sie beabsichtigen, die ezidische Gemeinschaft wehrlos, machtlos, unorganisiert und ohne Einfluss einem gefährlichen und grausamen Feind gegenüber stehen zu lassen. Die Angriffe der irakischen Armee gegen Şengal, der Versuch der Besatzung und die Ausschaltung der ezidischen Sicherheitskräfte, Asayîşa Êzîdxan, konkretisieren das Risiko und die Gefahr, dem IS sowie anderen terroristischen Banden erneut wehrlos ausgeliefert zu sein. Die reale Gefahr eines erneuten Völkermordes an der ezidischen Gemeinschaft bedeutet die Wiederholung des Traumas des Genozides und Vertreibung aus ihrer Heimat.
Die Bestrebungen gegen die Eziden in Şengal, welche die irakische Armee dieser Tage umzusetzen versucht, sind außerordentlich. Diese Absichten dienen in keinster Weise dem Staat Irak und dessen Volk. Sie dienen einzig und allein den Feinden des Iraks. Sie dienen vornehmlich dem türkischen Staat, der bereits einen Teil des Iraks besetzt hält und den Wasserzufluss der beiden Flüsse Euphrat und Tigris gekappt hat. Millionen irakischer Menschen leiden an Wassermangel und Durst. Die Notwendigkeit des Grundbedürfnisses an Wasser wird vom türkischen Staat als Druckmittel benutzt. Dieses Abkommen zwischen Erbil und Bagdad dient einzig und allein dem Konzept des türkischen Staates. Es ist eine Diensterweisung an den türkischen Kriegs- und Besatzungsambitionen. Die Haltung gegenüber der Türkei hat nichts mit Patriotismus zu tun. Es ist Verrat am Irak selbst, seinem Volk und allen Gefallenen, die ihr Leben im Kampf gegen den IS geopfert haben.
Wir als ezidische Organisationen und Vereine verurteilen die Angriffe Bagdads gegen die ezidische Gemeinschaft und ihrer Heimat Şengal. Wir lehnen das Abkommen, welches die Interessen des ezidischen Volkes nicht berücksichtigt, ab. Wir betrachten dieses Vorgehen als ein Kriegskonzept des türkischen Staates und dessen Verbündeten, wie der IS und andere terroristische Gruppen, gegen das ezidische Volk, Şengal und Kurdistans allgemein. Wir rufen dazu auf, Solidarität mit den ezidischen Sicherheit- und Verteidigungskräften zu bekräftigen. Es liegt an uns, diese feindselige Politik überall zu verurteilen und ihre menschenverachtenden Absichten offen zu legen. Unser Volk muss alles demokratisch Erdenkliche unternehmen, dieser Besatzung eine Antwort zu geben.
Wir rufen unser ezidisches Volk, das kurdische Volk und all unsere Freunde dazu auf, überall mit Widerstand und Ablehnung diesem erneuten Konzept des Krieges und der Besatzung mit noch stärkerer Intensität entgegenzutreten. Alle Organisationen, Vereine, Politiker, Akademiker, Künstler, Ältesten, Journalisten und Persönlichkeiten unserer Gesellschaft müssen sich jetzt erheben und alle möglichen Angriffe gegen unsere Gemeinschaft wachsam und mit Widerstand beantworten. Wir dürfen es nicht zulassen, dass Kolonialmächte uns wieder einem Genozid aussetzen.
Des Weiteren müssen diejenigen Kräfte und Verantwortlichen, die am 3. August 2014 unser Volk dem IS schutzlos überlassen hatten und kampflos abgezogen sind, zur Verantwortung gezogen und dementsprechend gerecht bestraft werden. Wir werden es nicht akzeptieren, dass diese Kräfte abermals die ezidische Gemeinschaft als Herrscher und Walter dominieren. Sie müssen der ezidischen Gemeinschaft Rechenschaft ablegen und ihr Selbstbestimmungsrecht akzeptieren.
Wir rufen die Vereinten Nationen (UN) und die Weltöffentlichkeit auf, diesen Angriffen, Respektlosigkeit und faschistischen Drohungen aus Ankara, Bagdad und Erbil Einhalt zu gebieten. Die Angriffe auf die Bevölkerung Şengals und die ezidischen Sicherheitskräfte Asayîşa Êzîdxan dürfen nicht stillschweigend hingenommen werden. Die Vereinten Nationen und die Weltöffentlichkeit müssen sich einschalten und einen autonomen Status der ezidischen Gemeinschaft garantieren. Es lebe ein selbstverwaltetes, freies und demokratisches Şengal!
Organisationen und Vereine der Êzîden in Europa:
•Zentralverband der êzîdischen Vereine NAV-YÊK e.V.
•Dachverband des êzîdischen Frauenrat - SMJÊ e.V .
•Bündnis der Êzidischen Jugend - HCÊ
•Êzîdisches Zentrum für Kunst und Kultur - NÇÊ
•Êzîdisches Kulturzentrum Mannheim e.V.
•Bündnis der Êzîden Syriens- HÊS
•Hoher Rat der Êzîden Syriens
•HÊVÎ - Hilfe für Frauen in Not, Celle
•Bündnis der Êzîden, Senden •Kanîya Sipî
•Gemeinschaft Şehîd Avesta Xabur , Saarbrücken
•Gemeinschaft der êzidischen Frauen, Leer
•Gemeinschaft der êzidischen Frauen, Wesel
•Gemeinschaft der êzidischen Frauen, Emmerich
•Gemeinschaft der êzidischen Frauen, Heidekreis
•Gemeinschaft der êzidischen Frauen, Celle
•Gemeinschaft der êzidischen Frauen, Hannover
•Gemeinschaft Şehîd Xanê, Bielefeld
•Êzîdisches Kulturzentrum Sulingen e.V.
•Êzîdisches Kulturzentrum Liege/ Belgien
•Êzîdisches Kulturzentrum Siegen e.V.
• Êzîdische Gesellschaft- OWL, Löhne e.V.
•Êzîdischer Kulurverein Heidekreis, Bad Fallingbostel e.V.
•Êzîdische Gemeinde zu Achim - Verden e. V.
•Vereine des Dachverbandes NAV - YÊK :
• Êzîdisches Kulturzentrum Celle e.V.
• Êzîdisches und Bielefeld e.V.
• Êzîdisches Kulturzentrum Wesel e.V.
•Êzîdisches Kulturzentrum Berlin e.V.
• Êzîdisches Kulturzentrum Wilhelmshaven u. Friesland e. V.
•Êzîdisches Kulturzentrum Bremen und Umgebung e. V.
•Êzîdisches Kulturzentrum Rheinland-Pfalz e. V.
•Êzîdisches Kulturzentrum Hameln e.V.
•Êzîdisches Kulturzentrum Emmerich- Kleve e.V.
• Êzîdi Exil Council Sinjar - M.Ş.D
•Frauenrat Binevş Edessa, Berlin
•Frauenrat Zeyneb, Achim- Verden
•Zentrum Êzîdxan e.V.
•Zentrum der Êzîden im Münsterland e.V.
•Dachverband der êzîdischen Dorfräte - SMGÊ
•Bündnis der Êzîden Syriens, Bonn
•Bündnis der Êzîden Syriens, Berlin
•Dachverband der êzîdischen Frauenräte
•Frauenrat der Êzîdinnen Syriens
•Union der Êzîden Heidekreis
•Sportverein Dicle, Celle
•Sportverein Yêk Spor, Bielefeld
•Sportverein Serê Zapê
•Sportverein Newroz, Bad Salzuflen
•Sportverein Kîwex, Gütersloh
•Sportverein F.C. Berxwedan, Wesel”