Erneute Isolation führt ins Chaos

Der HDP-Abgeordnete Hasan Özgüneş warnt, eine neue Isolation des kurdischen Vordenkers Abdullah Öcalan werde ins Chaos und zu Unruhen führen. Er betont, dass Öcalan über Projekte zu einer Lösung verfügt.

Nachdem im Zuge eines über Monate andauernden Hungerstreiks, an dem sich mehrere tausend Aktivistinnen und Aktivisten beteiligten, die Totalisolation des kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalans auf der Gefängnisinsel Imrali durchbrochen werden konnte, hatte die Generalstaatsanwaltschaft von Bursa nach achtjähriger Verweigerung am 2. und 22. Mai sowie am 12. und 18. Juni den Besuch der beiden Anwält*innen Rezan Sarıca und Newroz Uysal bei Öcalan gestattet. Seitdem wurde kein weiterer Besuchstermin zugelassen. Dies deutet darauf hin, dass der türkische Staat die Frage der Isolation taktisch angeht und diese nach dem Ende des Hungerstreiks und den gescheiterten Wahlen in Istanbul wieder in Kraft gesetzt hat.

Der Widerstand hat den Staat unter Druck gesetzt

ANF sprach mit dem Abgeordneten der Demokratischen Partei der Völker (HDP), Hasan Özgüneş, über die Isolation Öcalans und deren Folgen. Der Abgeordnete erklärt, die Isolation dauere seit 20 Jahren an, habe aber in den vergangenen fünf Jahren ein besonderes Ausmaß erreicht. Zum Widerstand analysiert er: „Hungerstreiks waren seit den 80er Jahren in Zeiten, in denen die Menschenrechtsverletzungen, die Unterdrückung und Folter eskalieren, immer ein Mittel des Widerstands. Der vergangene Hungerstreik brachte den Staat sowohl im Hinblick auf die innere als auch auf die internationale Öffentlichkeit in eine sehr schwierige Lage. Die teilweise Abschwächung der Isolation in der letzten Zeit ist ein Ergebnis davon. Der Staat geriet in diesem Zusammenhang unter schweren Druck und war gezwungen, einen Schritt zurück zu machen.

Die Kurden haben es satt

Die AKP hatte sich an die Hoffnung geklammert: ‚Wir haben die Wahl in Istanbul nur mit sehr wenigen Stimmen verloren. Wenn wir den Kurden zulächeln und einfach mal grüßen, werden sie unsere Gutherzigkeit nicht vergessen und uns ihre Stimme geben.‘ Aber das kurdische Volk und die kurdische Demokratiebewegung sind hochgradig politisiert. Sie wissen sehr genau, wer was mit welcher Absicht tut. Daher fielen die Kurden nicht darauf herein. Die AKP hat sich selbst betrogen. Auf der einen Seite führt der Staat die schwerste Isolation, Vernichtung und Repression durch, auf der anderen Seite sagt er, ich habe den Kurden etwas Gutes getan. Die Kurdinnen und Kurden haben davon jedoch die Nase gestrichen voll!

Isolation führt zu Chaos und Unruhen

Wir werden die vor uns liegende Phase genau beobachten. Aktuell werden die Besuche bei Herrn Öcalan verhindert. Wird sich dies zu einer dauerhaften Isolation wie früher entwickeln? Wir werden dies gemeinsam mit der Öffentlichkeit beobachten. Die AKP legt einen extrem hasserfüllten und an Rache orientierten Ansatz an den Tag. Das wird Chaos und Unruhe bringen. Die Regierung muss vorsichtiger vorgehen. Die Kurden und ihre Freunde sowie alle, die noch über ein Gewissen verfügen, fordern ein Ende der Isolation Öcalans und seine Freilassung.

Öcalans Projekten muss Gehör geschenkt werden

Herr Öcalan ist der Vordenker einer in der gesamten Türkei wirksamen Kraft. Daher muss seinen Projekten Gehör geschenkt werden. Alles andere führt ins Chaos. Nur so kann die Türkei Frieden erreichen. Reicht der Charakter der AKP-MHP etwa aus, um dieses Problem zu lösen? Wir sind uns da offen gesagt nicht besonders sicher. Als ob die inneren Auseinandersetzungen nicht ausreichten, wird diese Politik auch gegen Rojava angewandt. Es werden keine Errungenschaften auf kurdischer Seite gedduldet. Wir wollen keinen Krieg, keine Kämpfe, sondern Frieden und Dialog. Daran werden wir auch weiterhin arbeiten.“