Ergebnis des EU-Gipfels: Moralische Bankrotterklärung

Die Entscheidungen auf dem Flüchtlingsgipfel verschärfen die EU-Flüchtlingspolitik mit Internierungslagern für Schutzsuchende. Die Kollaboration mit Regierungen wie der Erdoğan-Diktatur oder der libyschen Küstenwache wird ausgeweitet.

Auf dem gestrigen EU-Gipfel vereinbarten die EU-Mitgliedsstaaten in Brüssel die Einrichtung von geschlossenen Internierungslagern für Schutzsuchende, die in Europa ankommen. Schutzsuchende, die auf dem Mittelmeer aufgegriffen werden, sollen in Lager in Nachbarstaaten der EU gebracht werden. Als Vorbild dient dabei das EU-Türkei-Abkommen, durch das sich die EU-Staaten politisch massiv abhängig vom türkischen Diktator Erdoğan gemacht haben und ihn politisch, militärisch und auch ökonomisch weiter stärken. So wurde auf dem EU-Gipfel, kurz nach den erzwungenen Neuwahlen und der Durchsetzung der quasi Alleinherrschaft des Diktators beschlossen, dem bankrotten Regime weitere drei Milliarden Euro zur „Flüchtlingshilfe“ zur Verfügung zu stellen. Damit steigen die Zahlungen an die Türkei im Rahmen des EU-Türkei-Deals auf neun Milliarden Euro. Obwohl regelmäßig Schutzsuchende vor allem an der syrischen Grenze von türkischen Soldaten gefoltert und ermordet werden, trotz massiver Kinderarbeit unter den Schutzsuchenden in der Türkei, spricht Bundeskanzlerin Merkel davon, dass Erdoğan eine „gute Arbeit geleistet habe“. Dass nur weniger als die Hälfte der Projekte bisher realisiert wurden und bei einigen von ihnen zwar EU-Geldern bezahlt worden sind, aber nichts passiert ist, scheint Merkel dabei nicht zu stören. Hauptsache Erdoğan erfüllt seine Rolle als Türsteher.

Bisher verweigern sich die meisten Nachbarstaaten wie Algerien, Marokko, Ägypten und Albanien der Einrichtung solcher Lager. Enge Partner, in diesem Sinne, sind allerdings neben dem Erdoğan-Regime die Bürgerkriegsmilizen wie die sogenannte libysche Küstenwache. Diese verschleppt auf dem Mittelmeer aufgegriffene Schutzsuche regelmäßig in Lager, in denen Folter, Hinrichtung und Sklavenhandel auf der Tagesordnung stehen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass der ehemalige deutsche Außenminister Gabriel vergangene Woche sogar einen Militäreinsatz gegen diese Lager in Libyen mit den Worten, man müsse „diese fürchterlichen Lager in Libyen zerstören“, befürwortete. Obwohl der Bundesregierung die Vorgänge in den Lagern bekannt sind, arbeitet sie eng mit der libyschen Küstenwache zusammen, die sogar im Rahmen der Bundeswehrbeteiligung an der Operation EUNAVFOR-MED ausgebildet wird und nun noch mehr Geld erhalten soll.

Aktuell sollen die zivilen Retter*innen von der NGO „Lifeline“ kriminalisiert werden, da sie Schutzsuchende nicht der Verschleppung durch die libysche Küstenwache überlassen hatten. Durch die Kollaboration mit der libyschen Küstenwache bricht die EU sowohl das internationale Seerecht, das ein Absetzen von Schiffbrüchigen an einem „sicheren Hafen“ voraussetzt, als auch die Europäische Menschenrechtskonvention. Auch eine Kooperation mit dem vom Internationalen Gerichtshof für Menschenrechte gesuchten sudanesischen Diktator Omar al-Baschir wird angestrebt.

Ebenso stößt die Internierung von Schutzsuchenden in Lagern in Europa auf scharfe Kritik. Die flüchtlingspolitische NGO Pro Asyl kritisierte die Beschlüsse als eine Kriminalisierung Schutzsuchender: „Es bedeutet schlicht und einfach: Haft. Haft für Menschen, die vor Krieg, Terror und Verfolgung geflohen sind.“

ProAsyl schloss seine Bewertung mit den bezeichnenden Worten: „Die EU hat sich entschieden: Gegen die Werte, die sie sich selbst doch so gerne groß auf die Fahne schreibt, für den Weg der Abschreckung und Abschottung."