Erdoğan wirft Online-Plattformen „digitalen Faschismus” vor

Der Zugang zu Instagram ist in der Türkei seit Freitag gesperrt – und Erdoğan wirft Online-Plattformen „digitalen Faschismus” vor. Derweil verschwindet ein Urteil über Befungnisse der Telekommunikationsbehörde von der Seite des Verfassungsgerichts.

Instagram-Sperre in der Türkei

Nach der Sperre von Instagram in der Türkei teilt Staatschef Recep Tayyip Erdoğan gegen Online-Netzwerke aus. Diese betrieben „digitalen Faschismus“ und verhielten sich wie die Mafia, wenn es um ihre Interessen gehe, sagte Erdoğan am Montag in Ankara – ausgerechnet bei der Eröffnung eines „Bildungsprogramms“ seiner Regierungspartei AKP zum Thema Menschenrechte. „Wir sind mit einem digitalen Faschismus konfrontiert, der sogar Fotos von palästinensischen Märtyrern nicht duldet und umgehend sperrt und das auch noch als Freiheit verkauft“, sagte er. Der türkische Langzeitherrscher warf Online-Plattformen vor, sich in Europa und den USA an die Regeln zu halten, aber nicht, wenn es um die Werte der Türkei gehe.

Instagram war in der Türkei am Freitag blockiert worden. Die Plattform ist seither von der Türkei aus nur noch über geschützte Netzwerkverbindungen (VPN) zu erreichen. Die türkische Behörde für Informations- und Kommunikationstechnologie (BTK) begründete die Sperre mit vermeintlichen Verstößen gegen sogenannte „Katalogstraftaten“, zu denen Delikte wie „Beleidigung von Atatürk“, „Verleitung zu Glücksspiel und Drogen“ und „sexueller Missbrauch von Kindern“ gehören. Man habe Instagram aufgefordert, entsprechende Inhalte zu entfernen, sagte ein BTK-Beamter der Nachrichtenseite Medyascope. Da die Aufforderung aber ignoriert worden sei, habe man die Zugangssperre verhängt.

Zuvor hatte es Vermutungen gegeben, dass die Instagram-Sperre mit Beileidsbekundungen für Ismail Haniyya, den in Iran getöteten Auslandschef der palästinensischen Hamas, zusammenhängt. Erdoğans Kommunikationsdirektor Fahrettin Altun hatte Instagram kurz vor der Sperre vorgeworfen, die Beileidsbekundungen zu blockieren und der Plattform einen Zensurversuch unterstellt. Infrastrukturminister Abdulkadir Uraloğlu schrieb am Montag auf der Plattform X, er habe sich bereits vergangene Woche mit Vertretern von Instagram getroffen und gemahnt, dass sich das Unternehmen an türkisches Recht und „gesellschaftliche Befindlichkeiten“ halten müsse. Er wolle sich nun erneut mit den Vertretern beraten.

Urteil von Verfassungsgericht zu BTK-Befugnissen nicht mehr abrufbar

Ebenfalls am Freitag war in der Türkei die Seite des türkischen Verfassungsgerichtshofs vorübergehend nicht zu erreichen. Das höchste Gericht des Landes hob im Januar das Gesetz, das die Befugnis der BTK-Behörde regelt, Zugangsbeschränkungen für Katalogstraftaten zu verhängen, auf. „In seinem Urteil betonte das Gericht, dass diese Maßnahmen die Meinungs- und Pressefreiheit einschränken würden, und erinnerte daran, dass Grundrechte und -freiheiten nicht per Präsidialdekret geregelt werden können“, erklärte die zivilgesellschaftliche Organisation MLSA (Media and Law Studies Association), die seit 2018 zum Thema Meinungsfreiheit in der Türkei arbeitet. Seit die Webseite wieder erreichbar ist, ist das Urteil des Verfassungsgerichts nicht mehr abrufbar. MLSA hat derweil bei der türkischen Justiz eine Beschwerde gegen die Instagram-Sperre eingelegt.