Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat eine Anhebung des Mindestlohns für das kommende Jahr verkündet. Er steige um gut 50 Prozent auf 4250 Lira netto, das sind umgerechnet etwa 240 Euro. „Ich glaube, dass wir mit dieser Erhöhung unsere Entschlossenheit unter Beweis stellen, unsere Arbeitnehmer davor zu bewahren, von Preissteigerungen erdrückt zu werden“, sagte Erdoğan. Die Regierung werde zudem die Steuern auf den Mindestlohn aufheben, um die Arbeitgeber zu entlasten.
Zugleich forderte Erdoğan, den jetzigen Mindestlohn nicht mit Kursen von früher zu vergleichen. Der Mindestlohn für 2021 beträgt 2825 Lira netto. Während dieser Betrag vor einem Jahr noch gut 310 Euro gleichkam, beträgt er derzeit durch den Wertverlust der türkischen Landeswährung etwa 160 Euro. Gewerkschaften hatten einen Mindestlohn von 5200 Lira gefordert, da dieser ohnehin oft nur ein Leben unter der Armutsgrenze ermöglicht. Die Hungersgrenze liegt für eine vierköpfige Familie liegt derzeit bei 10.200 Lira. Darin enthalten sind Kosten für Nahrungsmittel, Miete, Nebenkosten, Schulgeld, Kleidung etc. Linke Gewerkschaften wie KESK und DISK fordern, dass der Mindestlohn nicht unter 50 Prozent der Armutsgrenze fallen darf.
Mindestlohn bewegt sich jenseits der Realitäten des Lebens
Derweil hat die türkische Zentralbank ebenfalls am Donnerstag trotz hoher Inflation und Währungskrise erneut ihren Leitzins gesenkt. Er werde von bislang 15,0 auf nunmehr 14,0 Prozent heruntergenommen. Es ist die vierte Senkung in Folge. Die Lira fiel nach Bekanntgabe der Entscheidung auf das Rekordtief von 15,5 zum US-Dollar, für einen Euro waren erstmalig mehr als 17 Lira fällig. Seit Jahresbeginn hat die Landeswährung rund die Hälfte ihres Werts zu Dollar und Euro verloren. „Auch mit der Anhebung spiegelt die Lohnuntergrenze in der Türkei nicht die Realitäten des Lebens in diesem Land wider“, kritisierte der KESK-Präsident Mehmet Bozgeyik. Insbesondere mit Blick auf die für das kommende Jahr erwartete Geldentwertung. Die Inflationsrate ist im November sprunghaft auf mehr als 21 Prozent gestiegen. Im kommenden Jahr dürfte die Teuerungsrate nach Prognose von Ökonom:innen sogar 30 Prozent erreichen.