Der türkische Regimechef Recep Tayyip Erdoğan hat vor dem Nato-Gipfel in der kommenden Woche den französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron scharf angegriffen. Macron hatte der Nato kürzlich in einem Interview mit dem „Economist“ den „Hirntod“ bescheinigt. Es gebe bei strategischen Entscheidungen keine Koordinierung zwischen den USA und anderen Nato-Partnern. Zu diesen Bemerkungen sagte Erdoğan am Freitag während einer Rede an einer Universität in Istanbul, dass sie das „Beispiel einer kranken Ideologie“ seien. „Was sagt er? ,Die Nato ist hirntot.’ Herr Macron, sehen Sie, ich sage es aus der Türkei und ich werde es bei der Nato wiederholen: Lassen Sie erstmal Ihren eigenen Hirntod überprüfen.“ Frankreich bestellte daraufhin den türkischen Botschafter in Paris ein. Der Elysée-Palast erklärte, man reagiere damit auf die „Beleidigungen” Erdoğans.
Beim gestrigen Treffen mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg wiederholte Macron die Formulierung zum Hirntod zwar nicht, hielt jedoch an seiner Position fest, dass es zwischen den Mitgliedern der Allianz grundlegende Fragen zu klären gebe. Es müsse neu darüber diskutiert werden, wie Europa verteidigt werden könne. Außerdem machte Macron darauf aufmerksam, dass die Türkei mit ihrem Alleingang in Syrien Erfolge im Kampf gegen die Terrororganisation „Islamischer Staat” (IS) in Gefahr gebracht habe. Erdoğan erwiderte heute, dass Frankreich in Syrien nichts zu suchen habe. Macron habe außerdem keine Ahnung vom Kampf gegen den Terror. Er sei „sehr unerfahren“.
Macron und Erdoğan werden vor Beginn des Nato-Gipfels, der am Dienstag und Mittwoch anlässlich des 70-jährigen Bestehens des Atlantischen Bündnisses stattfindet, mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem britischen Premierminister Boris Johnson zusammentreffen. Bei dem Gespräch wollen die Staatschefs über die Lage in Syrien sprechen.