Erdbeben: Internationaler anarchistischer Solidaritätsaufruf

Die internationale anarchistische Bewegung hat einen Spendenaufruf für die Hilfsarbeit in den Erdbebengebieten in der Türkei gestartet. „Nichts ist stärker als die Solidarität von unten!“, erklärt die anarchakommunistische Föderation „die plattform“.

Die internationale anarchistische Bewegung hat einen Spendenaufruf für die Hilfsarbeit in den Erdbebengebieten in der türkisch-syrischen Grenzregion gestartet. Vor knapp zwei Wochen erschütterte eine verheerende Erdbebenserie weite Teile der Türkei und Syriens. Von der Katastrophe, die in beiden Ländern bisher über 46.500 bestätigte Todesopfer forderte, sind mehr als 23 Millionen Menschen in türkischen, kurdischen und syrischen Städten betroffen. Allein in der Türkei gelten elf Provinzen als Katastrophengebiet, den Überlebenden drohen Hunger, Armut und Krankheit – eine Katastrophe nach der Katastrophe. Doch Städte mit einem hohen kurdischen und arabischen sowie alevitischen/alawitischen Bevölkerungsanteil, die ohnehin strukturell benachteiligt sind, werden bei der Hilfe vernachlässigt. Staatliche Hilfsmaßnahmen konzentrieren sich weitestgehend auf Gebiete, die als Hochburgen der Erdogan-Partei AKP gelten.

„Nachdem wir im Zuge der Erdbebenkatastrophe in der Türkei vor einigen Tagen bereits zu Spenden an den Kurdischen Roten Halbmond aufgerufen haben, gibt es nun einen Spendenaufruf aus der internationalen anarchistischen Bewegung, der von uns und unseren Schwesterorganisationen getragen wird“, erklärt die anarchakommunistische Föderation „die plattform“, die den Solidaritätsaufruf veröffentlicht hat. „Die Erdbeben vom 6. Februar und ihre Nachbeben haben ganze Regionen verwüstet. Die Zahl der Todesopfer geht in die Zehntausende und steigt weiter an. Millionen von Menschen haben nur eingeschränkten oder gar keinen Zugang zu Wasser, Strom, Gas, Lebensmitteln und anderen lebensnotwendigen Gütern. Unsere Genoss:innen in anarchistischen Organisationen, Basisgewerkschaften und -organisationen arbeiten zusammen und sind direkt an den Hilfsmaßnahmen beteiligt. Wir starten jetzt eine Spendenaktion, um die Arbeit dieser Organisationen zu unterstützen. Nichts ist stärker als die Solidarität von unten!“, heißt es auf der Webseite der Föderation. Wir dokumentieren den Aufruf ebenfalls:

Offene Wunden mit der Solidarität der Unterdrückten verbinden

Das AKP-Regime hindert fortschrittliche Organisationen daran, Spenden zu sammeln und dringend benötigte Hilfe und Solidarität zu leisten. Um nur ein Beispiel zu nennen: Am Tag der Erdbeben erklärte sich die Unabhängige Minenarbeitergewerkschaft – in einem Zeichen der Solidarität, das nur die Arbeiter:innen und Unterdrückten kennen – sofort bereit, ihre Mitglieder in die betroffenen Gebiete zu schicken, um in den kritischsten 24 Stunden nach den Erdbeben bei den Such- und Rettungsaktionen zu helfen. Der Staat hielt sie zwei Tage lang davon ab, dies zu tun.

Ein Staat, der es vorzieht, dass Arbeiter:innen unter Tage ihr Leben riskieren, um Profite für die herrschende Klasse zu erzielen, anstatt das Leben von Zehntausenden von Menschen zu retten, die unter den Trümmern ihrer eigenen Häuser begraben sind. Begraben unter Gebäuden, die von Wohnungsmafias errichtet wurden, die – mit der Komplizenschaft des Staates, der es versäumt, Bauvorschriften und Sicherheitsregeln durchzusetzen – alles tun, um durch die Missachtung von Sicherheitsstandards und Kostensenkungen Profite zu erzielen, selbst wenn dies Zehntausende von Menschen das Leben kostet.

Humanitäre Hilfe wird von der AKP und ihren islamo-faschistischen Funktionären beschlagnahmt und umverteilt. Faschist:innen und ihre Kolleg:innen von der Zivilpolizei drohen damit, einfache Menschen, die rund um die Uhr arbeiten, um die von den Erdbeben Vertriebenen zu ernähren und zu versorgen, „verschwinden” zu lassen.

Dem Staat und seinen Unterstützer:innen geht es eindeutig mehr um die Aufrechterhaltung des kapitalistischen Systems als um die Rettung des Lebens von Zehntausenden. Aus diesem Grund unterbrechen und verzögern sie die Solidarität der Bevölkerung und die gegenseitige Hilfe.

In dieser schrecklichen Tragödie, die noch lange nicht vorbei ist, sind das staatliche System und der Kapitalismus für weit mehr Tote und viel mehr Leid verantwortlich als die Erdbeben selbst. Aber wir werden unsere offenen Wunden mit der Solidarität der Arbeiter:innen und Unterdrückten verbinden.

Um die Sicherheit unserer Genoss:innen zu gewährleisten, werden wir die Namen der Organisationen, für die die Spenden bestimmt sind, nicht bekannt geben. Es handelt sich um anarchistische Organisationen, Basisgewerkschaften und -organisationen, mit denen wir bereits zusammenarbeiten und die unser volles Vertrauen genießen.

Die Spenden werden von unseren Genoss:innen in der Schweiz gesammelt, die bereits über eine internationale Solidaritätsstruktur verfügen. Neben unseren anarchistischen und gewerkschaftlichen Genoss:innen wird ein Teil der Spenden an den Schweizer Zweig des Kurdischen Roten Halbmonds gehen.

Sendet Eure Spenden an:

Association pour la Promotion de la Solidarité Internationale (APSI)
Place Chauderon 5
1003 Lausanne
Switzerland

IBAN: CH84 0900 0000 1469 7613 8
SWIFT/BIC: POFICHBEXXX
Name der Bank: PostFinance SA; Mingerstrasse 20; 3030 Bern; Switzerland

Unterstützende Organisationen:
☆ Alternativa Libertaria (AL/FdCA) – Italien
☆ Aotearoa Workers Solidarity Movement (AWSM) – Aotearoa/Neuseeland
☆ Federación Anarquista Uruguaya (FAU) – Uruguay
☆ Embat, Organització Llibertària de Catalunya – Katalonien
☆ Libertäre Aktion (LA) – Schweiz
☆ Organisation Socialiste Libertaire (OSL) – Schweiz
☆ Grupo Libertario Vía Libre – Kolumbien
☆ Karala – Türkei
☆ Corodenação Anarquista Brasileira – Brasilien
☆ Die Plattform – Deutschland
☆ Anarchist Yondae – Südkorea
☆ Rusga Libertária – Brasilien
☆ Federação Anarquista do Rio de Janeiro (FARJ) – Brasilien
☆ Organização Anarquista Socialismo Libertário (OASL) – Brasilien
☆ Coletivo Mineiro Popular Anarquista (COMPA) – Brasilien
☆ Union Communiste Libertaire (UCL) – Frankreich
☆ Tekoşîna Anarşîst (TA) – Rojava
☆ Federación Anarquista de Rosario (FAR) – Argentinien


Titelfoto: Das linke, alawitische Viertel Armutlu in der Kreisstadt Antakya (Provinz Hatay) - oder das, was nach dem Erdbeben davon übrig ist. Die Gegend gilt als „Hort des Widerstands“ gegen die islamo-faschistische Kriegs- und Unterdrückungspolitik des türkischen Staates. Das Graffiti an dem Gebäude wurde in Gedenken an Ali Ismail Korkmaz, Abdullah Cömert und Ahmet Atakan gefertigt, die während der Gezi-Proteste 2013 getötet wurden und aus Antakya stammten. | Foto: Mezopotamya Ajansı (MA)