Ende des Münchner Kommunistenprozesses in Sicht

Voraussichtlich im Juli wird der sogenannte „Kommunistenprozess“ gegen zehn Angeklagte der TKP/ML nach vier Jahren zu Ende gehen. Zu Beginn der Plädoyers der Anwälte wird zu einer Kundgebung aufgerufen.

Nach unbegreiflichen vier Jahren soll jetzt der sogenannte Münchner „TKP/ML-Prozess“ zu Ende gehen. Im größten politischen Schauprozess gegen Linke wird den zehn Angeklagten vorgeworfen, das Auslandskomitee der Kommunistischen Partei der Türkei/Marxistisch-Leninistisch (TKP/ML) gebildet zu haben. Über drei Jahre lang mussten die meisten von ihnen dafür in Untersuchungshaft verbringen. Müslüm Elma, der Hauptangeklagte, sitzt als Einziger noch immer in U-Haft – seit nunmehr fünf Jahren!

Dabei werden den zehn Angeklagten keine strafbaren Handlungen vorgeworfen. Ausschließlich ihre Tätigkeit für eine Partei, die in der BRD nicht einmal verboten ist, führte zur „Verfolgungsermächtigung“ des Bundesjustizministeriums – ohne diese wären die Kommunist*innen nie vor Gericht gestellt worden. Diese staatliche Verfolgungswut gegen türkische Oppositionelle kann nur damit erklärt werden, dass die Bundesregierung sich gegenüber dem AKP/MHP-Regime „gefällig“ zeigen will.

Ende Mai und Anfang Juni plädierte der Vertreter der Bundesanwaltschaft (BAW) und beantragte, den Angeklagten Müslüm Elma wegen „Rädelsführerschaft“, die anderen Angeklagten jeweils wegen „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland“ schuldig zu sprechen und Freiheitsstrafen von dreieinhalb Jahren bis sechs Jahren und neun Monaten zu verhängen. Darüber hinaus beantragte die Bundesanwaltschaft, den Haftbefehl gegen Müslüm Elma außer Vollzug zu setzen, allerdings erfolgte bislang noch keine Freilassung aus der unverhältnismäßigen Untersuchungshaft.

Die Anwälte zeigen sich überrascht von der Argumentation im Plädoyer der Bundesanwaltschaft: „Nach dem bisherigen Prozessverhalten des Vertreters der BAW hätte man eine scharfe Abrechnung mit den Angeklagten und gegebenenfalls auch mit den Verteidiger*innen erwarten können. Stattdessen bemühte er sich in erster Linie zu bestreiten, dass es sich um politisches Verfahren und eine politische Anklage gehandelt hat und gestand an mehreren Stellen zu, dass sich Vorwürfe aus der Anklage nicht so bestätigt hatten, wie sie angeklagt waren. Offensichtlich hat der immer wieder öffentlich gemachte Vorwurf, dass dieses Verfahren objektiv eine direkte Unterstützung des Erdogan-Regimes darstellt und sich gegen den legitimen Widerstand gegen dieses Regime richtet, die BAW politisch in die Defensive gebracht.“

So räumte der Vertreter der BAW in seinem Plädoyer ein: „Zugunsten der Angeklagten ist zu werten, dass sie ihre Handlungen vor dem Hintergrund der seit Jahren repressiven und aggressiven Politik der türkischen Regierung, die unter anderem gegen die kurdische Bevölkerung und Linksoppositionelle gerichtet ist und zu vielen Todesopfern und Verletzen geführt hat, begangen haben. Ihr Engagement ist nach ihrem eigenen Werdegang von der Überzeugung geprägt, dadurch, wenn auch nur als Fernziel, die Lebensbedingungen der kurdischen Bevölkerung zu verbessern. Ihr Handeln war somit auch von ideellen Zielen motiviert, denen sie persönliche Interessen hintenangestellt haben.“

Angesichts der geforderten Haftstrafen ist dennoch keine Umkehr in der Auffassung des deutschen Staates zu erkennen. Weder Kosten noch Aufwand wurden gescheut, um mit einem Schauprozess letztlich die Bereitschaft zu signalisieren, den Erwartungen des türkischen Staates zu entsprechen. Widerstand gegen das faschistische AKP/MHP-Regime wird weiterhin kriminalisiert und als „terroristisch“ gebrandmarkt.

Ab dem 16. Juni werden die Plädoyers der Verteidigung erfolgen, danach die letzten Worte der Angeklagten. Mit einem Urteil ist wahrscheinlich in der ersten Juli-Hälfte zu rechnen. Das Bündnis der Unterstützer*innen ruft auf zu einer Kundgebung vor dem OLG München am 16. Juni um 12:00 Uhr in der Nymphenburger Straße 16. 

Wer ist Müslüm Elma?

Müslüm Elma ist ein politischer Gefangener, der mehr als 22 Jahre seines Lebens vor allem in Gefängnissen in der Türkei einsaß und nun auch hier in Deutschland inhaftiert ist. Er wurde während des Militärputsches vom 12. September 1980  in Amed (Diyarbakir) verhaftet. Sechs Monate lang war er in verschiedenen Gefängnissen immer wieder Folter ausgesetzt. 1984 nahm er an einem zwei Monate andauernden Hungerstreik teil. Die Haftzeit hat irreversible Gesundheitsschäden bei ihm hinterlassen. Aufgrund dieser wurde er 2002 aus der Haft in der Türkei  entlassen, da er andernfalls voraussichtlich nicht überlebt hätte.