Der ATIK-Prozess und kein Ende

Seit mehr als zwei Jahren wird vor dem Oberlandesgericht München ein Prozess gegen zehn Aktivist*innen der „Konföderation der Arbeiter*innen aus der Türkei“ (ATIK) nach Paragraph 129b StGB geführt. Bis zum 7. Januar 2019 ist er derzeit noch datiert.

Seit nun mehr als zwei Jahren wird vor dem Oberlandesgericht München ein Prozess gegen zehn Aktivist*innen der „Konföderation der Arbeiter*innen aus der Türkei“ (ATIK) nach Paragraph 129b StGB geführt. Konkret wird ihnen vorgeworfen, Mitglieder im Auslandskomitee der Kommunistischen Partei der Türkei/Marxisten-Leninisten (TKP/ML) gewesen zu sein, und sich somit der Mitgliedschaft in einer Terroristischen Organisation im Ausland strafbar gemacht zu haben. Weder ist die TKP/ML in Deutschland und der EU verboten, noch werden den Angeklagten und der Organisation konkrete Straftaten in Deutschland vorgeworfen. Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft beziehen sich im wesentlichen auf die Organisation von Konzerten und Spendensammlungen.

Die TKP/ML wurde 1972 in der Türkei gegründet und im Jahr 2007 als terroristische Organisation durch die Türkei eingestuft. Ab 2006 nahm das Bundeskriminalamt (BKA) Ermittlungen gegen die Organisation auf. Neun Jahre später werden im April 2015 die erste Personen für das derzeitige Verfahren verhaftet. Hierzu erlässt die Generalbundesanwaltschaft (GBA) aus Karlsruhe vier internationale Haftbefehle, die unter anderem in Griechenland und Frankreich vollstreckt, und die Beschuldigten nach Deutschland ausgeliefert werden.

Auch nach dem Prozessbeginn am 17. Juni 2016 verblieben alle Angeklagten in Untersuchungshaft. Erst am 1. Dezember 2017 wurde Mehmet Yeşilçalı aus der Haft entlassen, da das Münchener Gericht zu der Einsicht gelangte, dass die Fortdauer der Haft unverhältnismäßig wäre. Drei Monate später werden, nach fast dreijähriger Untersuchungshaft, am 19. Februar die Haftbefehle gegen Sinan Aydin, Dilay Banu Büyükavci, Sami Solmaz und Musa Demir aufgehoben. Gefolgt von Haydar B., der am 20. Juli nach drei Jahren und drei Monaten Untersuchungshaft in die Freiheit entlassen wird. Die Haftbefehle gegen Erhan Aktürk, Müslum Elma, Deniz Pektas, und Seyit Ali Ugur werden bis zum heutigen Tag aufrecht erhalten.

Verfolgen im Dienste Ankaras

Der Prozess, der derzeit noch bis zum 7. Januar 2019 datiert ist, steht seit dem Beginn wegen seiner politischen Brisanz und dem offensichtlichen Interesse der türkischen Regierung in Europa lebende Oppositionelle mit der Hilfe deutscher Behörden zu verfolgen, in der Kritik. Eine Kritik, die nicht nur auf den ersten Blick gerechtfertigt erscheint. Stammt doch der Großteil der Ermittlungsergebnisse, die bisher eher marginal ausfallen, aus den Beständen des türkischen Geheimdienstes (MIT). Dass dieser, um über Treffen von vermeintlichen Mitglieder*innen der TKP/ML in Deutschland berichten zu können, hier illegal operierte, findet ebenso wenig Beachtung vom Gericht wie in den vergangen 129b Prozessen bspw. gegen Personen, die wegen Mitgliedschaft in der PKK angeklagt und verurteilt wurden.

Prozesserklärungen als politische Verteidigung

Die angeklagten türkischen Kommunist*innen nutzen seit dem ersten Verhandlungstag jede Gelegenheit für politische Erklärungen, in denen die Politik und der faschistische Charakter der Türkei ebenso thematisiert wird, wie die persönlichen Biografien der Angeklagten. Jene Biografien, die die Vernichtungspolitik des türkischen Staates durch die praktizierte Folter in den türkischen Knästen belegen. Weiter wurde der Imperialismus der Bundesrepublik Deutschland in den Fokus des Gerichts gestellt. Die Bundesrepublik tritt der als aktive Kriegspartei in der Türkei und Kurdistan auf und macht sich zum Verfolgungsorgan der Türkei.

„Wenn allerdings der Weg, auf demokratischer Ebene Politik zu betreiben, in den Gefängnissen endet, werden die illegale Organisierung sowie der illegale Kampf unvermeidbar“, so Müslüm Elma in seiner Prozesserklärung am 3. August 2018 in München.

Der bis zum nächsten Jahr fortdauernder Prozess spiegelt die Bestrebungen der deutsch-türkischen Justiz dar, politischen Widerstand zu kriminalisieren, zu verfolgen und abzustrafen. Auch über Ländergrenzen hinweg. Seien die Vorwürfe auch noch so gering.