Ein Jahr ohne Deniz Poyraz

Am 17. Juni 2021 ist die HDP-Mitarbeiterin Deniz Poyraz bei dem rassistischen Anschlag auf die Parteizentrale in Izmir ermordet worden. Zu ihrem ersten Todestag wurde landesweit an die Kurdin erinnert.

Genau ein Jahr ist es her, dass Deniz Poyraz bei dem rassistisch motivierten Anschlag auf die HDP-Zentrale in der westtürkischen Metropole Izmir ermordet wurde. Aus Anlass ihres ersten Todestages ist in vielen Orten der Türkei und Nordkurdistans an sie erinnert worden. Größere Gedenkveranstaltungen fanden unter anderem in ihrer Geburtsstadt Mêrdîn sowie in Şirnex, Meletî, Riha, Ankara, Mersin und Adana statt.

In Izmir selbst wurde zunächst eine Trauerfeier am Tatort abgehalten. Unter den Gästen befand sich auch die HDP-Abgeordnete Serpil Kemalbay. Die Politikerin bezeichnete den von einem Faschisten verübten Mord an der 38-jährigen Kurdin als „Ausdruck der Ignoranz gegenüber der demokratischen Politik und dem Willen der Völker“. Dass der Anschlag trotz der polizeilichen Rund-um-die-Uhr-Überwachung des Gebäudes, in dem die HDP Izmir untergebracht ist, geschehen konnte, deute auf ein „staatliches Verbrechen“ hin, sagte Kemalbay.

Fehime Poyraz legt Nelken am Grab ihrer Tochter nieder

Deniz Poyraz war am 17. Juni 2021 in der HDP-Zentrale im Bezirk Konak mit sechs Kugeln erschossen worden. An dem Tag sollte in dem Gebäude eigentlich eine Vorstandssitzung mit etwa vierzig Personen stattfinden, die kurzfristig verschoben worden war. Die HDP sprach daher schon früh von einem Massaker, das dort hätte stattfinden sollen. Der HDP-Vizefraktionsvorsitzende Saruhan Oluç sprach bei der Gedenkveranstaltung den Umgang von Staat und Justiz mit dem Mörder an. „Wie kann es sein, dass ein schwerbewaffneter Attentäter seelenruhig die Polizeikontrolle vor diesem Gebäude passieren kann, um mit dem Ziel, ein Massaker durchzuführen, unsere Freundin Deniz auf abscheuliche Weise ermordet? Konnte es etwa deshalb passieren, weil die dunkle Seite der Macht in die Tat involviert war? Ist es möglicherweise der Söldnerkonzern SADAT, der den Attentäter ausgebildet hat? Oder hat er in den Dschihadistenreihen von IS, FSA, Al-Nusra oder HTS gekämpft? Wessen Attentäter ist der Mörder und wer schützt ihn innerhalb des Staates? Das sind Fragen, auf die uns diese Regierung bis heute keine Antwort gibt“, sagte Oluç.

Die „Friedensmutter“ Behiye Yalçın hält ein Foto der Getöteten, darauf ist zu lesen: „Deniz ist unsere Rebellion“

Um genau 10:50 Uhr, dem Tatzeitpunkt, wurde eine Schweigeminute abgehalten. Die Stille wurde durchbrochen von der Parole „Deniz Poyraz ist unsterblich“. Gemeinsam fuhren die Gäste im Anschluss zum Friedhof in Buca, wo die sterblichen Überreste der Getöteten liegen. Ihre Mutter Fehime sagte mit Blick auf die große Trauergemeinde: „Deniz ist nicht mehr nur meine Deniz. Sie ist die Tochter des kurdischen Volkes. Denn Deniz widmete sich dem Kampf ihres Volkes.“ Behiye Yalçın, die zur Initiative der Friedensmütter gehört, ergänzte: „Als Mütter ist es unser sehnlichster Wunsch, in Zeiten des Friedens und der Freiheit zusammenzukommen. Wir ertragen den Anblick auf die Gräber unserer Kinder nicht mehr. Ihre Leichen werden uns in Kisten ausgehändigt. Das bringt ein Gefühl des Todes mit sich. Wir wollen Gerechtigkeit für unsere Kinder und für alle, denen Unrecht widerfahren ist. Aber ganz besonders wollen wir Gerechtigkeit für Deniz Poyraz.“

Nach diesen eindringlichen Worten legten die Gäste rote Nelken am Grab von Deniz Poyraz nieder. Am Abend luden ihre Eltern zu einem Traueressen ein.