Dutzende Anwaltskammern klagen gegen Polizei-Rundschreiben

In der Türkei werden immer mehr Nichtigskeitsverfahren gegen das Rundschreiben der Polizei eingereicht, wonach Ton- und Videoaufnahmen von Beamt:innen bei öffentlichen Vorfällen unterbunden werden sollen.

Insgesamt 36 Rechtsanwaltskammern haben gegen die neuen Polizeimaßnahmen in der Türkei Nichtigkeitsverfahren beim Staatsrat eingereicht. Die neue Regelung sei rechtswidrig und verstoße gegen die türkische Verfassung. Unter den klagenden Kammern befinden sich unter anderem die rechtsanwaltschaftlichen Organisationen in Istanbul, Izmir, Ankara sowie Amed (tr. Diyarbakir), Çewlîg (Bingöl), Dersim, Agirî (Ağrı) und Wan.

 Mit einem Rundschreiben im Vorfeld des 1. Mai hat die Zentralbehörde der türkischen Polizei (Generaldirektion für Sicherheit) das Sicherheitspersonal aufgefordert, bei öffentlichen Vorfällen zu verhindern, dass von Polizist:innen Ton- und Videoaufnahmen angefertigt werden. Beamt:innen filmende Personen sollte erst gar nicht die Gelegenheit eingeräumt werden, Ton- oder Videoaufnahmen zu machen. Geschehe dies doch, müssten Verfahren eingeleitet werden, heißt es in dem vom Polizeipräsidenten Mehmet Aktaş unterzeichneten Rundschreiben vom 27. April. Denn durch Aufnahmen von Polizeieinsätzen, die in Online-Netzwerken verbreitet werden, würde das Image der Polizei angeknackst.

Hauptsächlich begründet die Behörde die Regelung gemäß dem Rundschreiben damit, dass durch Aufnahmen des Sicherheitspersonals bei öffentlichen Vorfällen – gemeint sind Demonstrationen, Kundgebungen und ähnliche Veranstaltungen – das Recht von Polizist:innen auf Privatsphäre verletzt werde. Konkret geht es um die sogenannte „Vertraulichkeit des Wortes“ – also nicht nur um die Bilder, sondern auch um die mitlaufende Tonspur. lknur Alcan, Ko-Vorsitzende der Anwaltsvereinigung ÖHD in Ankara, hatte die Regelung als „Freifahrtschein für Folter” bezeichnet. Auch ÖHD hat Klage beim Staatsrat eingereicht.