Mit einem Rundschreiben im Vorfeld des 1. Mai hat die Zentralbehörde der türkischen Polizei (Generaldirektion für Sicherheit) das Sicherheitspersonal aufgefordert, bei öffentlichen Vorfällen zu verhindern, dass von Polizist:innen Ton- und Videoaufnahmen angefertigt werden. Beamt:innen filmende Personen sollte erst gar nicht die Gelegenheit eingeräumt werden, Ton- oder Videoaufnahmen zu machen. Geschehe dies doch, müssten Verfahren eingeleitet werden, heißt es in dem vom Polizeipräsidenten Mehmet Aktaş unterzeichneten Rundschreiben vom 27. April. Denn durch Aufnahmen von Polizeieinsätzen, die in Online-Netzwerken verbreitet werden, würde das Image der Polizei angeknackst.
Die Behörde begründet die Regelung gemäß dem Rundschreiben aber hauptsächlich damit, dass durch Aufnahmen des Sicherheitspersonals bei öffentlichen Vorfällen – gemeint sind Demonstrationen, Kundgebungen und ähnliche Veranstaltungen – das Recht von Polizist:innen auf Privatsphäre verletzt werde. Konkret geht es um die sogenannte „Vertraulichkeit des Wortes“ – also nicht nur um die Bilder, sondern auch um die mitlaufende Tonspur. Der Anwaltsverein ÖHD hat angekündigt, eine Nichtigskeitsklage beim Staatsrat einzureichen. Es liege eine Verletzung des Grundrechts der Meinungsfreiheit und damit ein Verstoß gegen die Verfassung vor.
Polizeieinsätze kein Privatleben
„Völliger Unsinn“, kommentiert Ilknur Alcan, Ko-Vorsitzende der ÖHD-Zentrale in Ankara, das Rundschreiben. „Die Verordnung entbehrt jeglicher rechtlichen Grundlage. Die Polizist:innen sind bei den genannten Vorfällen ja nicht privat anwesend, sondern leisten öffentlichen Dienst. Polizeieinsätze gehören nicht zum Privatleben, ihre Dokumentation darf nicht verhindert werden.“ Es gehe einfach darum, das Filmen von rechtswidrigen oder zumindest fragwürdigen Handlungen der Polizei zu verhindern, meint Alcan. „Die Polizei will hier einen Freifahrtschein für Folter. Sie sagt faktisch nichts anderes als ‚Wir foltern und misshandeln, aber ihr dürft es nicht filmen‘. Jede Person hat das Recht, eine ihr bedenklich vorkommende Situation, etwa wenn es um die sogenannte unverhältnismäßige Gewalt geht, Videos oder Tonaufnahmen zu machen, um sie als Beweis zu verwenden. Dies gilt selbstverständlich auch bei beobachteten Straftaten in anderen Bereichen.“
Hinweis: In einer ersten Version hieß es, das Rundschreiben der polizeilichen Zentralbehörde sei vom 1. Mai. Wir haben den Fehler korrigiert.