Podiumsdiskussion in Hamburg zur Zukunft Syriens

In Hamburg fand eine Podiumsdiskussion zur Zukunft Syriens statt. Dabei wurde deutlich: Ein stabiles und gerechtes Syrien kann nur dann entstehen, wenn es allen Stimmen des Landes gelingt, gehört und eingebunden zu werden.

„Welche Zukunft hat Syrien nach dem Sturz des Regimes?“

Im Centro Sociale fand am Donnerstagabend eine vielbeachtete Podiumsdiskussion unter dem Titel „Welche Zukunft hat Syrien nach dem Sturz des Regimes?“ statt. Die Veranstaltung, die von der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Kooperation mit vom AStA der Universität Hamburg organisiert wurde, wurde von der Journalistin Roshak Ahmad moderiert und bot ein spannendes Panorama politischer Einschätzungen zur Lage im Nachkriegssyrien.

Auf dem Podium diskutierten Newroza Rojava von der kurdischen Partei PYD, der politische Aktivist Ebrahim Baddour, Anita Starosta von Medico International sowie Ahmad Bazarto vom Molham Team. Die Referent:innen eröffneten den Abend mit persönlichen Eindrücken und einem Rückblick auf die letzten Jahre des syrischen Bürgerkriegs. Dabei betonten sie die Erleichterung, Euphorie und das vorsichtige Aufkeimen von Hoffnung nach dem Ende des Baath-Regimes – einer Diktatur, die das Land über sechs Jahrzehnte geprägt hatte.

Hoffnung zwischen Unsicherheit und Ernüchterung

Zentrales Thema des Abends waren die Perspektiven für ein Syrien nach dem Sturz des Assad-Regimes und der Machtübernahme durch die islamistische Gruppierung „Hayat Tahrir al-Sham“ (HTS) in Damaskus. Besonders die Auswirkungen auf die Bevölkerung in Rojava sowie auf die syrisch-arabische Mehrheitsgesellschaft standen im Fokus.

Kritik wurde laut an der neuen Übergangsregierung, die sowohl auf diplomatischer als auch auf militärischer Ebene keinen Kurswechsel erkennen lasse. Insbesondere das Ausbleiben einer Intervention bei den Massakern an der alawitischen Minderheit in den Küstenregionen Syriens sowie die eigene Verantwortung dabei wurde von Podium und Publikum gleichermaßen als erschütterndes Zeichen der Untätigkeit gewertet. Auch die kürzlich verabschiedete Übergangsverfassung, unterzeichnet vom selbsternannten Interimspräsidenten Ahmed al-Scharaa, wurde als unzureichend für die Gewährleistung von Minderheitenrechten und Gleichstellung kritisiert.

Rojava: Ausgeschlossen vom Dialog

Ein weiterer Diskussionspunkt war die sogenannte „Nationale Dialogkonferenz“, zu der Vertreter:innen der Demokratischen Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (DAANES) nicht eingeladen wurden. Für viele im kurdisch geprägten Teil Syriens war dies ein deutliches Zeichen der politischen Ausgrenzung und der Fortführung repressiver Strukturen unter neuem Namen. Die politische und kulturelle Repräsentation religiös-ethnischer Minderheiten sowie von Frauen bleibt aus Sicht vieler Diskussionsteilnehmerinnen auch unter der HTS-Regierung gravierend eingeschränkt. Aus dem Publikum kam wiederholt der Appell, dass ein zukünftiger demokratischer Prozess nur dann tragfähig sein könne, wenn alle Bevölkerungsgruppen gleichberechtigt beteiligt würden. Eine unabhängige Justiz und gesicherte Grundrechte seien dafür unverzichtbare Grundlagen.

Zwischen Narrativen und Lebensrealitäten

Die Diskussion verdeutlichte auch die tiefen Unterschiede in der Wahrnehmung der politischen Lage – abhängig von Herkunft, Biografie und Zugehörigkeit. Besonders zwischen kurdischen und syrisch-arabischen Perspektiven traten Diskrepanzen zutage, was die Veranstaltung jedoch nicht spaltete, sondern bereicherte. Vielmehr wurde das Gespräch von einer konstruktiven Auseinandersetzung getragen, die unterschiedliche Realitäten sichtbar machte.

Am Ende stand die Erkenntnis, dass ein stabiles und gerechtes Syrien nur dann entstehen kann, wenn es allen Stimmen des Landes gelingt, gehört und eingebunden zu werden – jenseits von Machtkämpfen und Ausschlussmechanismen.