„Die PDK hat Angst, deshalb gibt sie uns die Leichen nicht“

Seit 44 Tagen protestieren Angehörige von Gefallenen am Grenzübergang Sêmalka in Rojava und fordern von der südkurdischen PDK die Herausgabe der Leichen der von der PDK im Hinterhalt ermordeten Guerillakämpfer:innen.

Am 29. August waren sieben Guerillakämpfer:innen in der südkurdischen Region Xelîfan in einen Hinterhalt von Spezialkräften der PDK geraten. In dem Hinterhalt fielen fünf Kämpfer:innen, während zwei überlebten. Haki Zîlan, einer der den Angriff überlebte, berichtete, dass die Spezialeinheiten der PDK die Körper der Guerillakämpfer:innen mit Kugeln durchsiebten, um etwaige Überlebende zu töten. Dies qualifiziert den Hinterhalt als extralegale Hinrichtung und damit als Kriegsverbrechen. Obwohl seit dem Angriff 80 Tage vergangen sind, händigt die PDK die Leichen der Kämpfer:innen den Angehörigen der Gefallenen nicht aus. Seit 44 Tagen findet an der Grenze von Rojava nach Südkurdistan am Übergang Sêmalka eine Mahnwache von Angehörigen der Gefallenen statt. Die Angehörigen fordern insbesondere die sterblichen Überreste der YJA-Star-Kommandantin Nesrin Temir und des HPG-Kämpfers Yusif Ibrahim, die beide aus Rojava stammten. Die Aktion wird vom Rat der Familien der Gefallenen in der Region Cizîrê getragen. Immer wieder versuchten Delegationen von Müttern, nach Südkurdistan zu gelangen und dort ihren Protest vorzutragen; sie wurden jedoch von den Grenztruppen der PDK am Überqueren der Grenze gehindert.

Nesrin ist aufgrund des Verrats durch andere Kurden gefallen“

Evin Temi, Schwester der Gefallenen Nesrin Temir, erklärt: „Wir haben die Nachricht, dass Nesrin gefallen ist, am 2. September erhalten. Diese Nachricht hat uns sehr traurig gemacht. Nesrin hat uns beigebracht, Widerstand zu leisten und zu kämpfen. Nesrin hat alles in Kauf genommen und ist in den Kampf gezogen. Sie hat jahrelang gekämpft. Unser Schmerz ist sehr groß. Denn Nesrin ist aufgrund des Verrats von Kurden gefallen. Als Familie von Nesrin haben wir uns an allen Aktionen und Aktivitäten der Friedensmütter beteiligt. Anschließend sind wir nach Sêmalka gegangen. Als Familie nehmen wir an der Aktion teil. Wir verurteilen das Vorgehen und die Haltung der PDK und verfluchen sie. Haben sie immer noch nicht genug Verrat begangen? Wie lange werden sie noch ihre eigenen Geschwister ermorden?“

Bei der PDK kann uns nichts mehr überraschen“

Temir fährt fort: „Wir wollen die Leichen unserer Gefallenen. Wir sagen der PDK: ‚Ihr habt sie ermordet, das wissen wir, aber gebt jetzt die Leichen heraus.‘ Aber sie haben uns bisher keinerlei Informationen gegeben, wann und ob sie uns die Leichen aushändigen werden. Die PDK gibt die Leichen nicht heraus, denn sie hat Angst. Sie sind der klare Beweis für ihren Verrat. Sie sagen: ‚Wir haben sie nicht umgebracht und wir haben ihre Leichen nicht.‘ Aber es ist nun mal leider so, dass es nichts mehr gibt, das die PDK tun könnte, was uns erstaunen würde. Die PDK kann jederzeit alles machen. In den 90er Jahren wurde diese Feindschaft von der PDK nicht offen praktiziert, aber jetzt findet das vor aller Augen statt.

Die PDK ist ein Werkzeug der Türkei“

Temir kommentiert die Haltung der PDK mit den Worten: „Die PDK ist zu einem Werkzeug der Türkei geworden. Was auch immer der türkische Staat sagt, die PDK macht es. Hinter der Ermordung von Nesrin und ihren Freund:innen steckt die Türkei. Die PDK ist nichts weiter als ein Fortsatz der Türkei. Aber wenn wir in die Geschichte schauen, dann ist die PKK immer für Südkurdistan eingetreten und hat die Region immer wieder vor Massakern und Genoziden bewahrt. Allein wegen der PKK gibt es heute Südkurdistan. Wir alle haben gesehen, wer die Şengal-Region 2014 geschützt hat, als der „Islamische Staat“ (IS) angriff. Die Geschichte wird dies niemals vergessen.“

Wir werden bis zum Letzten für Herausgabe der Leichen kämpfen“

Zu den Perspektiven des Kampfes sagt Temir: „Wir werden bis zum Letzten für die Herausgabe der Körper unserer Gefallenen streiten. Wir haben als Familien den Verantwortlichen in Südkurdistan einen Brief geschickt. Aber bis heute haben wir keine Antwort erhalten. Die PDK hüllt sich weiterhin in Schweigen. Sie geben die Leichen nicht heraus, weil sie in der Öffentlichkeit nicht als Schuldige dastehen wollen. Wir appellieren an das Volk in Südkurdistan: Kommt und unterstützt uns. Helft uns dabei die Leichen unserer Gefallenen zu bekommen. Die internationalen Mächte sollten Gewissen zeigen und Druck auf die PDK aufbauen. Wir versprechen, wir werden den Kampf fortsetzen, dort wo die Gefallenen ihn beendet haben. Wir werden weiterkämpfen, bis ihre Träume von einem freien Land Wirklichkeit geworden sind.“

Wir sind bereit Frieden zu schließen“

Der Bruder des Gefallenen Yusif Ibrahim, Muaf Ibrahim, sagt: „Mein Bruder kämpfte auf dem heiligen Weg der Gerechtigkeit. Die PDK will die Leichen nicht herausgeben. Denn wenn sie die Leichen herausgäbe, dann würde sie als Schuldige dastehen. Das weiß sie genau. Die Familien wollen, dass ein Abschluss gefunden wird und die Leichen herausgegeben werden. Aber die PDK misst dem keine Bedeutung zu. Wir warten hier auf die Körper unserer Gefallenen. Wir werden nicht aufhören, bis wir die Leichen bekommen. Wenn sie uns die Leichen geben, sind wir bereit, Frieden zu schließen.“