Die Partei DIE LINKE hat die Repressionswelle gegen die Demokratische Partei der Völker (HDP) in der Türkei scharf verurteilt und ihre Solidarität mit den Betroffenen ausgesprochen. „Hier werden jegliche rechtsstaatlichen Prinzipien ausgesetzt. Damit soll eine demokratische Oppositionspartei, die sich der autoritären Regierung Erdogans entgegenstellt, zerschlagen und mundtot gemacht werden”, erklärten die beiden Ko-Vorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger. Die Bundesregierung wurde zudem aufgefordert, sich „umgehend” zu der Festnahmewelle zu verhalten und die Freilassung aller politischer Gefangenen in der Türkei einzufordern. „Es muss aufhören, dass Deutschland ein Regime in der Türkei unterstützt, das fortwährend die demokratischen Freiheitsrechte derartig mit Füßen tritt. Wir erklären unsere Solidarität mit der HDP und den demokratischen Kräften in der Türkei! Der Despot Erdogan wird die HDP nicht zum Schweigen bringen!“, heißt es.
In der Türkei hat am Freitag ein neuer politischer Vernichtungsfeldzug gegen die HDP begonnen. 82 Personen, darunter hochrangige Vertreterinnen und Vertreter der HDP, einschließlich amtierende und ehemalige Parlamentsabgeordnete und Bürgermeister*innen, sollen auf Anordnung der Generalstaatsanwaltschaft von Ankara festgenommen werden oder sind es bereits. Hintergrund ist ihre Beteiligung an Demonstrationen im Oktober 2014, als die HDP anlässlich des IS-Angriffs auf die Stadt Kobanê in Westkurdistan/Nordsyrien auch gegen die Unterstützung der türkischen Regierung für die dschihadistische Terrormiliz protestierte. Bereits die seit 2016 inhaftierten ehemaligen HDP-Vorsitzenden Figen Yüksekdağ und Selahattin Demirtaş waren unter anderem wegen der Beteiligung an den „Kobanê-Protesten“ verhaftet worden.
Hintergrund der Kobanê-Proteste
Am Abend des 6. Oktober 2014 war es dem IS nach 21 Tagen Widerstand der Verteidigungseinheiten YPG/YPJ sowie der Bevölkerung von Kobanê gelungen, ins Stadtzentrum einzudringen. Angesichts der kritischen Situation hatte die HDP die Bevölkerung Nordkurdistans und der Türkei zu einem unbefristeten Protest gegen die AKP-Regierung aufgerufen, da diese ihre Unterstützung für den IS nicht beendete. Im Zuge dessen kam es in vielen Städten zu regelrechten Straßenschlachten zwischen türkischen Sicherheitskräften und den Protestierenden: Soldaten, Polizisten, Dorfschützer sowie Mitglieder und Anhänger der radikalislamistischen türkischen Hisbollah (Hizbullah) führten einen gemeinsamen Kampf gegen Kurd*innen, die sich an den Protesten beteiligten. Die Zahl der dabei getöteten Personen, bei denen es sich größtenteils um Teilnehmende des Aufstands handelte, schwankt zwischen 46 und 53.
Staatsanwaltschaft: Angriffe gegen 326 Sicherheitskräfte und 435 Bürger
Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens ist ein 24-stündiges Anwaltsverbot angeordnet worden. Einen Tag lang wird den Festgenommenen somit der Zugang zu einem Rechtsbeistand verwehrt. Begründet wird die Maßnahme mit Verdunkelungsgefahr. Den Betroffenen wird versuchte Zerstörung der Einheit und Integrität des Staates, Mord, Plünderung, Anstachelung zur Gewalt und Freiheitsberaubung vorgeworfen. Sie werden beschuldigt, für Angriffe gegen 326 Sicherheitskräfte und 435 Bürger verantwortlich zu sein, teilte die Staatsanwaltschaft in Ankara mit.
Nahezu gesamter Exekutivrat der HDP auf Fahndungsliste
Unter den Festgenommenen befinden sich auch 24 Mitglieder des Exekutivrats der HDP vom Jahr 2014. In ihrem Fall wurde zudem eine viertägige Geheimhaltungsverfügung verhängt. Es handelt sich um Sirri Süreyya Önder, Nazmi Gür, Ayla Akat Ata, Emine Ayna, Emine Beyza Üstün, Bircan Yorulmaz, Bülent Barmaksız, Can Memiş, Dilek Yağlı, Gülfer Akkaya, Günay Kubilay, Zeki Çelik, Zeynep Karaman, Ali Ürküt, Altan Tan, Pervin Oduncu, Alp Altınörs, Berfin Özgü Köse, Cihan Erdal, Arife Köse, Ayhan Bilgen, Bayram Yılmaz, Ismail Şengül und Yurdusev Özsökmenler. Viele wurden bereits festgenommen.