„Dialoge mit Öcalan“ in Stuttgart

Der kurdische Volksrat in Stuttgart informiert vor dem baden-württembergischen Landtag über Abdullah Öcalan. Im Rahmen der Aktionstage „Dialoge mit Öcalan“ ist für Donnerstag eine Diskussionsveranstaltung angekündigt.

Ideen lassen sich nicht einsperren

Der kurdische Volksrat Stuttgart beteiligt sich mit einem Informationsstand und einer Lesung an den Aktionstagen „Dialoge mit Öcalan – Ideen lassen sich nicht einsperren“. Seit gestern werden an einem Infotisch vor dem baden-württembergischen Landtag Flugblätter und Broschüren verteilt, für morgen ist eine Diskussionsveranstaltung mit Lesung angekündigt. Im Rahmen der dreitägigen Aktionen ist die Landtagspräsidentin mit einem Dossier über das Anliegen informiert worden.

Mit der Aktionswoche „Dialoge mit Öcalan – Ideen lassen sich nicht einsperren“ werden seit Samstag weltweit die Ideen des kurdischen Vordenkers verbreitet und Zeichen gegen seine Isolation auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali gesetzt. Im diesem Rahmen gibt es Lesungen, Diskussionsveranstaltungen, Infostände, Performances, Kundgebungen und Radioprogramme in rund fünfzig Städten auf mehreren Kontinenten.


Hintergrund: Abdullah Öcalan ist eine Schlüsselfigur

Abdullah Öcalan, geboren am 4. April 1949, studierte Politikwissenschaften in Ankara. Er initiierte 1978 die Gründung der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und führte als ihr Vorsitzender bis zu seiner Verschleppung im Februar 1999 den kurdischen Befreiungskampf aktiv an.

Neben zahlreichen Arbeiten über die Kultur und die Lage seines Volkes beschäftigte er sich in vielen Vorträgen und Büchern mit Themen aus den Bereichen Philosophie, Religion, Geschlechterfragen und Umweltproblematik und setzte sich immer wieder für ein friedliches Zusammenleben aller Völker im Nahen Osten ein.

Seit seiner völkerrechtswidrigen Entführung aus Kenia am 15. Februar 1999 befindet er sich in einem Gefängnis auf der türkischen Insel Imrali im Marmarameer, mehr als zehn Jahre davon als einziger Gefangener. Am 29. Juni 1999 wurde er vom türkischen Staatssicherheitsgerichtshof zum Tode verurteilt. Inzwischen wurde die Todesstrafe in der Türkei abgeschafft und das Urteil gegen Abdullah Öcalan in eine verschärfte lebenslängliche Freiheitsstrafe umgewandelt.

Trotz der unmenschlichen Isolationshaft setzte er sich auch aus der Haft heraus im Rahmen seiner Möglichkeiten für eine friedliche Lösung der kurdischen Frage ein. Er gilt weiterhin als führender Stratege und einer der wichtigsten politischen Repräsentanten des kurdischen Volkes .

In Isolationshaft auf der Insel Imrali verfasste Öcalan mehr als zehn Bücher, welche die kurdische Politik revolutionierten. Mehrfach initiierte er einseitige Waffenstillstände der Guerilla und lieferte konstruktive Vorschläge für eine politische Lösung der kurdischen Frage. Seine Konzepte wie der „demokratische Konföderalismus“ sind eine wesentliche Inspiration für das revolutionär-demokratische Projekt in Nordsyrien.

Ein „Friedensprozess“ begann 2009, als der türkische Staat auf Öcalans Aufrufe, die kurdische Frage politisch zu lösen, reagierte. Die Regierung brach den Dialog mit Öcalan und der PKK Mitte 2015 ab und setzt seither wieder auf eine militärische Vernichtungspolitik.

Seit dem 27. Juli 2011 wird Öcalan und seinen Mitgefangenen der Zugang zu Anwältinnen und Anwälten verwehrt. Eine Ausnahme bilden mehrere Anwaltsbesuche zwischen Mai und August 2019, die durch einen Massenhungerstreik erkämpft wurden.

Seit April 2015 ist die Gefängnisinsel Imrali vollständig von der Außenwelt isoliert. Keinerlei Besuch ist möglich, es gibt keine Kommunikation mit den Gefangenen. Das letzte Lebenszeichen war ein aus unbekannten Gründen nach wenigen Minuten unterbrochenes Telefonat zwischen Öcalan und seinem Bruder im März 2021.

Die vollständige Abschottung eines Gefangenen ohne Zugang zu einem Rechtsbeistand ist nach internationalen Standards und selbst nach türkischem Recht illegal. Darüber hinaus gilt Abdullah Öcalan als Schlüsselfigur für eine Lösung der kurdischen Frage. Im Oktober 2023 wurde eine internationale Kampagne mit der Forderung nach seiner Freilassung gestartet, damit er als wichtigster Verhandlungspartner zu einer politischen Lösung beitragen kann.