Die Rüstungsindustrie kennt keine Krise – auch während der Pandemie floriert das Geschäft mit dem Tod, vor allem im Mittleren Osten. Auch Deutschland lässt die Region weiterhin mit Waffen vollpumpen. Bereits im Zeitraum vom 1. Januar bis zum 23. März 2021 hat die Bundesregierung Exportgenehmigungen für Waffen in Konfliktstaaten und aggressiv expansionistische Regime im Wert von Dutzenden Millionen erteilt.
Wie aus der Antwort des Wirtschaftsministeriums auf eine mündliche Frage des Abgeordneten Omid Nouripour (Bündnis 90/Die Grünen) hervorgeht, hat die Bundesregierung im ersten Quartal des Jahres allein an Katar Waffenexporte in Höhe von 41.921.707 Euro genehmigt. Katar gilt als einer der engsten Verbündeten der Türkei und unterstützt dschihadistische Muslimbrudermilizen mit Waffen und Logistik. Die Muslimbrüder wiederum gelten als das wichtigste Werkzeug zur Umsetzung des neoosmanischen Expansionsprojekts von Recep Tayyip Erdoğan – Katar und die Türkei bilden in vielen Regionen, vor allem in Syrien, eine Allianz und rüsten Söldnertruppen hoch. An die Vereinigten Arabischen Emirate erteilte die deutsche Regierung Ausfuhrgenehmigungen im Wert von 23.544.278 Euro.
Waffenexporte in die Türkei – Tendenz steigend
Aber auch die Türkei selbst ging bezüglich Exportgenehmigungen keineswegs leer aus. Trotz ihrer Aggressionen in Kurdistan, dem Irak, Armenien, Libyen oder dem Jemen wurden Waffenlieferungen in Höhe von 8.975.504 Euro an das Regime in Ankara genehmigt. Im Vorjahr waren es im gesamten ersten Halbjahr Rüstungsgüter im Wert von 15.103.057 Euro, deren Export an die Türkei genehmigt wurde. Das deutet auf eine Zunahme der Waffenexporte nach Ankara in diesem Jahr hin.
Bundesregierung schützt Todeshändler
Wieviel tatsächlich ausgeliefert wurde, bleibt das Geheimnis der Bundesregierung: „Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass anhand der hier mit ** markierten Einzelangaben eine Re-Identifizierung betroffener Unternehmen möglich ist. Die Bundesregierung ist daher nach sorgfältiger Abwägung zu der Auffassung gelangt, dass die erbetenen Auskünfte zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen geheimhaltungsbedürftig sind“, heißt es in der Antwort von Staatssekretär Ulrich Nußbaum. Übersetzt ist dies ein offenes Eingeständnis der Bundesregierung, mit ihrer Geheimhaltungspolitik die Profiteure am Waffenhandel vor Protest zu schützen.
Endverbleib von Killerdrohnen ist Staatsgeheimnis
Auch der Abgeordnete Andrej Hunko von der Linksfraktion stellte dem Bundeswirtschaftsministerium eine Frage zum Waffenhandel. Fokussiert auf die Türkei wollte Hunko wissen, nach welcher Routine die Bundesregierung die Endverbleibserklärungen für Drohnen und Panzerabwehrraketen (MRAT und LRAT) sowie auf dieser Basis hergestellte Gefechtsköpfe einhält und auf welche Weise dies überprüft wird. Mit einer Endverbleibserklärung soll sich der Empfängerstaat von Waffenlieferungen verpflichten, gelieferte Waffen nicht weiterzugeben. Gerade in Bezug auf die Türkei liegen unzählige Hinweise darauf vor, dass militärische Drohnen etwa an die Muslimbrüder in Libyen oder an die Alijew-Diktatur in Aserbaidschan weitergegeben worden sind.
Außerdem fragte Hunko nach der mit deutscher Technologie gebauten türkischen Killerdrohne „Bayraktar TB2“, die entgegen der Propaganda aus Ankara alles andere als ein türkisches „Nationalprodukt“ ist. Drohnen dieses Typs kommen häufig gegen die kurdische Guerilla zum Einsatz, wurden aber auch massiv im türkisch-aserbaidschanischen Angriffskrieg gegen die Kaukasusrepublik Arzach (Bergkarabach) eingesetzt.
Schwammige Antworten
Auf die Fragen Hunkos erklärte die Bundesregierung nur schwammig, sie gehe „grundsätzlich allen Hinweisen auf etwaige Verstöße gegen Endverbleibserklärungen nach“. Der Rest der Antwort wird zur vertraulichen Verschlusssache erklärt. Begründet wird die Geheimhaltung folgendermaßen: „Einzelheiten zu der nachrichtendienstlichen Erkenntnislage des Bundesnachrichtendienstes sind im Hinblick auf die künftige Erfüllung des gesetzlichen Auftrags aus § 1 Absatz 2 BNDG besonders schutzwürdig. Eine Veröffentlichung von Einzelheiten betreffend solcher Erkenntnisse würde zu einer wesentlichen Schwächung der dem BND zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Informationsgewinnung führen. Dies würde für die Auftragserfüllung des Bundesnachrichtendienstes erhebliche Nachteile zur Folge haben. Sie kann für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland schädlich sein.“
Damit zieht sich die Bundesregierung billig aus der Affäre. Denn aufgrund der Geheimhaltungsverfügung muss sie keine Rechenschaft darüber ablegen, dass auch in diesem Jahr wieder Rüstungsexporte in Millionenhöhe an die Türkei genehmigt worden sind, obwohl die Erdoğan-Regierung diese Waffen erwiesenermaßen zu Kriegsverbrechen und Angriffskriegen gegen Arzach, Südkurdistan und Rojava einsetzte und auch weiterhin einsetzt.
Türkischer Drohnenkrieg wäre ohne deutsche Hilfe nicht möglich
Einer Recherche des investigativen Nachrichtenmagazins Monitor aus dem August 2020 zufolge spielte insbesondere der deutsche Rüstungskonzern TDW beim Bau von Drohnen in der Türkei eine wichtige Rolle. TDW hatte die Pläne für Killer-Drohnen samt Produktionslizenz an die Türkei verkauft. Die Friedensforscherin Simone Wisotzki stellte gegenüber Monitor fest, dass die Türkei ohne die Hilfe Deutschlands nicht in der Lage gewesen wäre, diese Drohnenmacht aufzubauen: „Wenn die Türkei darüber nicht verfügt hätte, hätte sie vermutlich noch fünf bis zehn Jahre gebraucht, um selbstständig in der Lage gewesen zu sein, solche Technologie dann auch herzustellen und einzusetzen.” Aus Antworten der Bundesregierung auf diverse parlamentarische Initiativen geht hervor, dass Deutschland die Lieferungen von Bauteilen, Gefechtsköpfen und Technologie für Killerdrohnen an die Türkei abgesegnet hat.
Mit Killerdrohne aus deutsch-türkischer Produktion ermordete Frauenaktivistinnen
Ein mit einer solchen Killerdrohne verübtes türkisches Kriegsverbrechen trug sich im Sommer 2020 zu. Am 23. Juni griff eine Killerdrohne drei Frauenaktivistinnen bei Kobanê in Nordsyrien an. Dabei wurden Zehra Berkel und Hebûn Mele Xelîl vom Frauendachverband Kongreya Star sowie ihre Gastgeberin Amina Waysî gezielt ermordet. Die Frauen saßen im Garten eines Hauses im Dorf Helincê. Wie so viele blieb auch dieses Massaker für die Türkei ohne Konsequenzen.