Seit fast einem Jahrzehnt besteht inzwischen die Dauermahnwache im Europaviertel in der französischen Stadt Straßburg für die Freiheit von Abdullah Öcalan, die von wechselnden Gruppen aus ganz Europa für jeweils eine Woche übernommen wird. Bis heute haben sich zehntausende Menschen an der Aktion beteiligt. Anlässlich des neunjährigen Bestehens hatte der kurdische Europaverband KCDK-E für diesen Samstag zu einer Demonstration geladen. Der KCDK-E bezeichnet die Isolation Öcalans als gleichbedeutend mit der Isolation der kurdischen Gesellschaft, durch die Abschottung des PKK-Begründers auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali solle der „Wille des kurdischen Volkes“ gebrochen werden. Der Widerstand der Kurdinnen und Kurden dagegen werde „bis zur Befreiung“ weitergehen. Diese Botschaft war die zentrale Aussage der Demonstration in Straßburg.
Der Marsch begann auf der Place de la République mit einer Schweigeminute für die Gefallenen des kurdischen Befreiungskampfes. Auf einem der Fronttransparente hieß es „Wir werden das Komplott vom 15. Februar nicht vergessen“. An diesem Tag vor 22 Jahren wurde Öcalan nach einer mehrmonatigen Odyssee durch verschiedene Länder Europas aus der griechischen Botschaft in Kenias Hauptstadt Nairobi verschleppt und völkerrechtswidrig an die Türkei übergeben. Die kurdische Gesellschaft bezeichnet den 15. Februar 1999 auch als „Roja Reş“ – zu Deutsch: Schwarzer Tag.
Forderungen an das CPT
Zu dem Programm der Demonstration gehörten auch Redebeiträge, in denen die verschiedenen Dimensionen der Imrali-Isolation thematisiert wurden. Bei einem fünfminütigen Sitzstreik vor dem Antifolterkomitee des Europarats (CPT) wurde festgehalten, dass das eigens für die Insel im Marmarameer etablierte Folterregime inzwischen nicht nur in allen anderen Haftanstalten des Landes angewendet werde, sondern gleichermaßen auch alle Teile der Gesellschaft erfasst habe. Das CPT sowie alle anderen Institutionen, „die sich der Verteidigung der Menschenrechte verpflichtet haben“, dürften nicht länger schweigen, sondern müssten ihrer Verantwortung gerecht werden, sich für das Ende des „Isolationssystems“ in der Türkei einzusetzen.
Innerkurdische Einheit bedeutend für Befreiungskampf
Der Protest richtete sich auch gegen die derzeitige türkische Invasion und die Killerdrohnenangriffe in Südkurdistan, den politischen Vernichtungsfeldzug gegen die HDP und die kurdenfeindliche Politik des faschistischen AKP/MHP-Regimes. Während die Demonstration weiter zum angestammten Platz der Dauermahnwache zog, wurde in Reden auf die Bedeutung einer innerkurdischen Einheit verwiesen. Dass innerhalb der verschiedenen politischen Kräfte der Kurd:innen weiterhin Konflikte bestünden, mache sie als Volk für schwerwiegende Angriffe verletzbar. Der türkische Staat habe es „unter internationaler Schirmherrschaft“ auf die Errungenschaften der gesamten kurdischen Gesellschaft abgesehen. Die nationale Einheit zu erreichen sei deshalb genauso wichtig, wie Abdullah Öcalan zu befreien.
470. Gruppe übernimmt Dauermahnwache
Die Demonstration endete mit der Übergabe der Mahnwache an die 470. Gruppe, die aus Oldenburg angereist war. Der KCDK-E erklärte, das Sit-in sei als längste ununterbrochen entschlossen fortgesetzte Aktion in die Geschichte eingegangen und zum Symbol des Widerstands innerhalb des Befreiungskampfes gegen die Besatzung und Annexion Kurdistans durch den auf einen Völkermord abzielenden und von internationalen Mächten unterstützten türkischen Staat geworden.