Demonstration gegen Polizei- und Staatsgewalt in Jena

Etwa 300 Menschen aus überwiegend antifaschistischen Kreisen haben am Mittwochabend in Jena gegen Polizei- und Staatsgewalt demonstriert.

Am 15. März fanden in Jena und Leipzig acht Hausdurchsuchungen statt. Der Hintergrund der Durchsuchungen ist ein Ermittlungsverfahren der Generalstaatsanwaltschaft Dresden sowie der Landeskriminalämter Sachsen und Thüringen gegen mehrere Antifaschist:innen, denen vorgeworfen wird, am 13. Februar in Budapest Angriffe auf Neonazis verübt zu haben. An diesem Tag versammelten sich in Ungarn Neonazis aus ganz Europa, um die Wehrmacht, die SS und die ungarischen Kollaborateure zu glorifizieren.

Die handelnden Polizeibeamt:innen gingen brutal und martialisch gegen die von den Hausdurchsuchungen betroffenen Personen vor, bei welchen die eigentlich gesuchten Personen und Beweismittel nicht aufgefunden wurden. Die Maßnahmen richteten sich somit ausschließlich gegen nicht beschuldigte Personen, die nun mit den traumatisierenden Erfahrungen wie das Aufbrechen der Wohnungstür mit einer Ramme, einem Blendgranateneinsatz und rechtswidrigen Fesselungen von Mitbewohner:innen umgehen müssen.

Solidarität muss praktisch werden - Feuer und Flamme den Repressionsbehörden

Anlässlich dieser Hausdurchsuchungen zeigten sich genau zwei Wochen später 300 Menschen solidarisch und nahmen am Mittwochabend an einer Demonstration in Jena gegen Polizei- und Staatsgewalt teil. Die Rufe „Solidarität muss praktisch werden - Feuer und Flamme den Repressionsbehörden“ erklangen laut in den Straßen. Die Organisator:innen riefen dazu auf, sich solidarisch mit den Betroffenen der Razzien zu zeigen und darüber hinaus mit allen Menschen, die strukturell von polizeilicher und staatlicher Gewalt betroffen sind.

Während die Polizei und der Staat strukturell antifaschistische und emanzipatorische Selbstorganisierung kriminalisiert, müssen organisierte Neonazistrukturen kaum mit rechtlichen Konsequenzen rechnen. Stattdessen geht die Polizei mit martialischen und rechtswidrigen Mitteln gegen Antifaschist:innen vor. Diverse Hausdurchsuchungen gegen Antifaschist:innen, die 2021 durchgeführt wurden, konnten inzwischen als rechtswidrig festgestellt werden. Der gesellschaftliche und mediale Aufschrei dagegen lässt allerdings bis heute auf sich warten. Die Forderung nach einer lückenlosen Aufklärung des rechtswidrigen Einsatzes der Polizei und ein Ende der repressiven Gewalt gegen Antifaschist:innen wurde laut auf die Straßen Jenas getragen.

Die Demonstrierenden positionierten sich außerdem klar gegen die strukturelle rassistische Gewalt der städtischen Behörden, die tagtäglich ausgeübt wird gegen Menschen, die aufgrund von politischer Verfolgung oder Krieg aus ihrer Heimat fliehen mussten. Durch die Illegalisierung von geflüchteten Menschen, die in diesem Zuge immer mehr ausufernde Bürokratisierung, die unzähligen Abschiebungen von Geflüchteten und mit der mörderischen Politik an den EU-Außengrenzen zeigen die staatlichen Institutionen die Fortführung und Intensivierung einer strukturell rassistischen Politik.

Solidarität mit Klimaaktivist:innen

Des Weiteren solidarisierten sich die Demonstrierenden mit den Klimaaktivist:innen, die am Morgen des 29. März das Heizwerkkraft in Jena-Winzerla besetzten. Sie stellten sich hinter die Forderung der Aktivist:innen gegen den weiteren Ausbau fossiler Gasinfrastruktur, der damit einhergehenden Umweltzerstörung und Ausbeutung des globalen Südens und für erneuerbare Energien und eine dezentrale Energieversorgung, die in der Hand der Bürger:innen selbst liegen soll.

Die Jenaer Ortsgruppe der feministischen Organisierung „Gemeinsam Kämpfen“ forderte in einem Redebeitrag das Ende der strukturellen Kriminalisierung der kurdischen Befreiungsbewegung und ein Ende des Verbots der PKK.

Gleichzeitig wurde auf das revolutionäre Potenzial der Gesellschaft und den zunehmenden Widerstand gegen das patriarchale und koloniale System der Nationalstaaten weltweit aufmerksam gemacht. „Die Staaten haben Angst vor unserer Kraft und dass wir wirkliche Veränderung anstoßen können. Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir uns durch die Repressionsmaßnahmen nicht spalten oder einschüchtern lassen, sondern weiterhin für eine basisdemokratische und solidarische Gesellschaft einstehen“, so eine Aktivistin.

Gruß aus Chile

Zum Abschluss wurde ein solidarischer Gruß von Freund:innen aus Chile verlesen. Am Tag der kämpferischen Jugend - dem Dia del Hoven Combatiente und somit dem Gedenktag an die am 29. März 1985 während der Militärdiktatur unter Pinochet ermordeten Brüder Rafael und Eduardo Vergara Toledo waren die Freund:innen in Gedanken bei den Demonstrierenden in Jena, „weil wir wissen, dass die Gewalt, die bei den Hausdurchsuchungen am 15. März in Jena und Leipzig angewendet wurde, das gleiche Ziel hat wie die Gewalt, die hier von den Bullen benutzt wird. Diese Gewalt soll ein System verteidigen, das durch koloniale Ausbeutung wachsen und sich ausbreiten konnte, bis in fast alle Winkel dieser Erde“, so ein Zitat aus dem solidarischen Gruß. In Erinnerung an die jovenes combatientes Claudia Lopez, Eduardo und Raphael Vergara, Matias Catrileo, Makarena Valdez, Comandante Tamara, Denisse Cortez und Pablo Marchant wurde dazu aufgerufen, gemeinsam für eine Welt zu kämpfen, in der es sich zu leben lohnt.

In den verschiedenen Redebeiträgen wurde deutlich, dass die Demonstrierenden feministische, antikapitalistische, antirassistische und internationalistische Kämpfe und Perspektiven miteinander verbinden und sich solidarisch gegen die strukturelle Gewalt, welche von den staatlichen Institutionen ausgeübt wird, stellen. „Solidarität ist die Waffe, die uns niemand nehmen wird! Wir lassen uns nicht einschüchtern, sondern stehen solidarisch zusammen im Kampf für eine befreite Welt, in der ein gutes Leben für alle möglich ist!“, so eine Aktivistin.

(PM/ANF)