Razzien gegen Antifaschist:innen in Sachsen und Thüringen

Spezialeinheiten der Polizei stürmten Wohnungen von Antifaschist:innen in Jena und Leipzig. Den Aktivist:innen wird Beteiligung an antifaschistischen Aktionen in Budapest vorgeworfen.

Am Mittwochmorgen stürmten teilweise mit Maschinenpistolen bewaffnete Spezialeinheiten der Polizei Wohnungen von insgesamt sieben Antifaschist:innen in Jena und Leipzig. Die Wohnungen wurden mehrere Stunden auf Anordnung der Generalstaatsanwaltschaft Dresden sowie der Landeskriminalämter Sachsen und Thüringen durchsucht. Im Umkreis der durchsuchten Objekte kontrollierte die Polizei Passant:innen und Beobachter:innen und versuchte so, Proteste bereits im Keim zu ersticken.

Den sieben von den Durchsuchungen Betroffenen wird vorgeworfen, Mitte Februar an körperlichen Auseinandersetzungen mit Faschisten in Budapest beteiligt gewesen zu sein. Vier weitere beschuldigte Antifaschist:innen sitzen in Ungarn in Haft.

Rote Hilfe: „Einschüchterungsversuch am internationalen Tag gegen Polizeigewalt“

Die Rote Hilfe erklärt zu den Durchsuchungen: „Wieder einmal überziehen die staatlichen Repressionsorgane Antifaschist:innen mit medienwirksam inszenierten Großeinsätzen. Mit den Hausdurchsuchungen soll offensichtlich die gesamte antifaschistische Bewegung eingeschüchtert werden. Dass die martialische Razzia ausgerechnet am 15. März, dem Internationalen Tag gegen Polizeigewalt, stattfindet, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Wir protestieren entschieden gegen die anhaltende Kriminalisierung der antifaschistischen Bewegung und stehen solidarisch an der Seite der Betroffenen.“

Protest gegen Repression

Während die Durchsuchungen in Leipzig noch bis in die Abendstunden weitergingen, protestierten Aktivist:innen nahe der Wohnungen gegen die Repressionsmaßnahme und Polizeigewalt im allgemeinen. Die Demonstration zog in der Nacht entschlossen durch Connewitz, dabei wurde Pyrotechnik abgebrannt.

Widerstand gegen Nazi-Versammlung in Budapest

Seit über 25 Jahren mobilisieren Neonazis aus ganz Europa rund um den 11. Februar zum sogenannten „Tag der Ehre“ nach Budapest. Die Versammlung ist mittlerweile mit mehreren Tausend Teilnehmer:innen zum größten und wichtigsten Vernetzungstreffen der neofaschistischen Szene in Europa geworden. Dieses Jahr wurde das Neonazitreffen von 2.000 – 3.000 Neonazis und Neofaschist:innen besucht. Mobilisiert hatte der ungarische Ableger des in Deutschland verbotenen Nazi-Terrornetzwerks „Blood and Honour“ und die Nazimiliz „Légió Hungária“. Im Rahmen der Veranstaltung sollten Nazi-Konzerte, Aufmärsche und eine Wanderung in historischen Nazi-Uniformen durch die Budaer Berge stattfinden. Offizieller Anlass war ein NS-verherrlichendes „Gedenken“ mit dem die Neonazis an ihre historischen Vorbilder – die deutsche Wehrmacht, die Waffen-SS und die ungarischen Kollaborateure – erinnern. Durch antifaschistischen Widerstand konnte die Veranstaltung zumindest teilweise behindert werden.

Der Verein der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA) berichtet: „Der diesjährige NS-glorifizierende „Tag der Ehre“ in Budapest Ungarn, war geprägt von einer zunehmenden Repression seitens der ungarischen und deutschen Polizei. Das Vorgehen der ungarischen Behörden steht im Kontext der erfolgreichen Mobilisierung durch Antifas in den letzten Jahren. Es ist für Nazis nicht mehr möglich, ihr ritualisiertes Gedenken in der Budapester Innenstadt abzuhalten.“

Repression und Hetze gegen Antifaschist:innen

Die ungarische Polizei kesselte die etwa 150 Antifaschist:innen, die zur internationalen Gegenkundgebung gekommen waren, ein. Die Protestierenden wurden kontrolliert und fotografiert. Die rechtsextreme ungarische Regierung und die Regierungsmedien begannen aufgrund eines Videos, das zeigt, wie Personen einen mutmaßlichen Neonazi verprügeln, eine beispiellose Hetze gegen Antifaschist:innen. Während der mutmaßliche Neonazi offensichtlich nur leicht verletzt wurde und am Ende des Videos aufsteht und weggeht, wird von „linksextremen Totschlägern“ gesprochen. Die Springer-Presse in Deutschland, insbesondere die BILD-Zeitung, griff die ungarische Hetze auf und veröffentlichte Foto und Klarnamen einer 20-Jährigen. In Budapest wurden vier Antifaschist:innen aus Deutschland festgenommen, zwei von ihnen befinden sich weiterhin in U-Haft. Die ungarische Polizei hat in diesem Zusammenhang eine 40-köpfige Sonderkommission gebildet. Die Justiz in Ungarn versucht, die Aktivist:innen zu mehrjährigen Haftstrafen zu verurteilen. Währenddessen arbeitet das Bundeskriminalamt eng mit den ungarischen Behörden zusammen. In Deutschland wird nach mehreren Antifaschist:innen in diesem Zusammenhang gefahndet. Bereits am 15. Februar stürmten die sächsische und Berliner Polizei zwei Wohnungen in Berlin im Zusammenhang mit den antifaschistischen Protesten. Aktivist:innen werfen den deutschen Behörden vor, Amtshilfe für das Orban-Regime zu leisten.

Das Netzwerk Selbsthilfe sammelt Hilfe für die von Repression Betroffenen:

Netzwerk Selbsthilfe e.V.
Stichwort: NS-Verherrlichung stoppen
IBAN: DE12 1009 0000 7403 8870 18
BIC: BEVODEBB