Das neue Angriffsziel der USA: Hashd al-Shaabi

Im Irak eskaliert der Konflikt zwischen dem Iran und den USA. Mittendrin befindet sich das Milizenbündnis von Hashd al-Shaabi. Doch wer steckt eigentlich hinter diesem Bündnis?

Bis vor wenigen Monaten wäre es nicht weit hergeholt, die USA und die Milizen von Hashd al-Shaabi als Bündnispartner zu bezeichnen. Denn beide verfolgten mit der Bekämpfung des sogenannten Islamischen Staates selbiges Ziel im Irak. Doch mittlerweile hat sich das Blatt gewendet und beide Seiten stehen sich in erbitterter Feindschaft gegenüber. Werfen wir allerdings einen genaueren Blick auf die Zusammensetzung des bewaffneten Verbands Hashd al-Shaabi wird die Angelegenheit komplexer. Denn das Milizenbündnis ist alles andere als ein monolithischer Block.

Mit der gezielten Tötung Kassem Soleimani wurde auch Abu Mahdi al-Muhandis, der Leiter von Hashd al-Shaabi, am 3. Januar in Bagdad getötet. Wenige Tage zuvor hatte die US-Luftwaffe Positionen der Hisbollah-Brigaden im Irak, die Teil des Verbands Hashd al-Shaabi sind, bombardiert und mindestens 25 Menschen getötet.

Die USA machen ihrerseits die Milizen von Hashd al-Shaabi für Angriffe auf US-Militärbasen im Irak sowie die Erstürmung der US-Botschaft in Bagdad verantwortlich. Um es genauer zu sagen, macht die Trump-Administration den Iran für diese Angriffe verantwortlich, die angeblich die Kontrolle über Hashd al-Shaabi ausüben. Doch ist Hashd al-Shaabi wirklich nur eine Marionette des Irans?

Auf Befehl von as-Sistani gegründet

Am 3. Juni 2014 rief Großajatollah Ali as-Sistani die Schiiten zum Dschihad gegen den sogenannten Islamischen Staat auf. Die Reaktion auf diesen Aufruf steht zugleich für den Gründungsakt von Hashd al-Shaabi. Doch die logischerweise von Schiiten dominierte Miliz ist keineswegs so homogen, wie der erste Eindruck es vielleicht vermitteln mag. Denn einerseits folgten zwar schiitische Gruppierungen, die eine deutliche Nähe zum Iran aufweisen, dem Ruf des Großajatollahs. Andererseits folgte aber auch der schiitische Geistliche Muqtada as-Sadr dem Dschihad-Ruf und dieser ist für seine kritische Distanz zum Iran bekannt. Letztlich stellen die pro-iranischen Gruppen und die Anhänger von as-Sadr bis heute die Hauptflügel von Hashd al-Shaabi dar.

Dass der Iran einen Großteil der Waffen, der Logistik und der Finanzierung der Milizen von Hashd al-Shaabi übernahm, kümmerte die USA lange Zeit nicht. Das galt zumindest solange, wie der gemeinsame Feind „Islamischer Staat" lautete. Auch als das Milizenbündnis Hashd al-Shaabi offizielle Anerkennung im Irak erlangte oder nach dem kurdischen Verfassungsreferendum in Kerkûk (Kirkuk) einmarschierte, verschlossen die USA die Augen. Dieselbe Gleichgültigkeit zeigte Washington, als der jüngst getötete iranische General Kassem Soleimani an der Spitze von Hashd al-Shaabi die Operationen gegen den IS in der Provinz al-Anbar leitete.

Mehr als 200.000 Mitglieder

Am 26. November 2016 wurde das Milizenbündnis durch das irakische Parlament als offizielle Sicherheitskraft des Landes anerkannt. Die Leitung des Verbands war bereits zuvor dem Amt des Ministerpräsidenten unterstellt worden.

Nach der Anerkennung als staatliche Sicherheitskraft wuchs die Zahl der Milizionäre massiv an. Heute wird geschätzt, dass Hashd al-Shaabi mehr als 200.000 Männer in seinen Reihen zählt. Doch diese Reihen bleiben weiterhin tief gespalten. Mehr als siebzig verschiedene Gruppen schlossen sich dem Verband an. Die Hauptspaltungslinie zieht sich zwischen den pro-iranischen Gruppen und den Milizen, die as-Sadr die Treue geschworen haben. Letzterer hatte nach dem Sieg über den IS erklärt, dass das Bündnis seine Funktion erfüllt habe und deshalb aufgelöst werden müsse. Doch dazu kam es nicht. Denn insbesondere für den Iran erweist sich Hashd al-Shaabi als nützliches Vehikel für die politischen Interessen im Iran. Sollte as-Sadr, wie er nach dem Tötung von Soleimani erneut ankündigte, seine Armee des Mahdi wiederaufstellen und somit seine Männer aus dem Milizenbündnis zurückziehen, stünde Hashd al-Shaabi tatsächlich fast vollständig unter der Kontrolle der pro-iranischen Fraktion. So verwundert es auch nicht, dass das Milizenbündnis sich nun mitten im Zentrum des iranisch-amerikanischen Konflikts befindet, der sich derzeit im Irak zuträgt.