Der Türkische Rote Halbmond ist für seine engen Verbindungen zur Familie Erdoğan bekannt und wegen massiver Korruption berüchtigt. Er stellt mit seinen Projekten einen wichtigen Faktor bei der Besatzung und Siedlungspolitik in Nordsyrien dar und schleust Spendengelder an die islamistische Ensar-Stiftung, die unter anderem in einen Kindesmissbrauchsskandal verwickelt ist.
Aus diesem Grund befragte die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke, die Bundesregierung nach ihrer Unterstützung für die umstrittene Organisation. Die Bundesregierung gab bekannt über die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) 463.844,44 Euro an den TRH zu zahlen. 244.954 Euro wurden bereits ausgezahlt. Die Bundesregierung erklärte, sie kontrolliere die Gelder genau und diese dürften nur für Flüchtlinge in der Türkei eingesetzt werden. Ulla Jelpke sagt hierzu: „Mich überzeugt die Kontrolle der Bundesregierung nicht. Das Geld fließt immerhin an eine von der Diktatur kontrollierte Hilfsorganisation. Selbst wenn die Zahlungen zweckmäßig verwendet werden, so erleichtert doch jeder Cent der Bundesregierung dieser für ihre Korruption berüchtigte Organisation, Gelder im Interesse des Erdoğan-Regimes und der Familie Erdoğan zu missbrauchen."
1,6 Milliarden an EU-Mitteln an den Türkischen Roten Halbmond
Weitere 1,6 Milliarden Euro fließen aus EU-Mitteln an die Organisation. Hinzu kommen 32,4 Millionen Euro durch den Danish Refugee Council.
Projekte in Idlib sind Geheimsache der Bundesregierung
Bundeskanzlerin Merkel hatte im Februar angekündigt, 25 Millionen Euro an die türkische Halbmond-Organisation für die Errichtung von Wohnungen in Idlib zu zahlen. Was aus diesem Versprechen geworden ist, macht die Bundesregierung zur Geheimsache. Die Frage, ob Mittel des Türkischen Roten Halbmonds in Regionen unter Kontrolle der Dschihadistenmiliz HTS – also nach Idlib – fließen, ist der Bundesregierung so heikel, dass diese als Verschlusssache einstuft.
Keine Reaktion der Bundesregierung auf Korruptionsvorwürfe
Die Bundesregierung will keine Kenntnisse über Korruptionsvorwürfe im Zusammenhang mit Weiterreichung von Spenden an den Türkischen Roten Halbmonds an die islamistische Ensar-Stiftung haben. Sie erklärt nur, selbst keine Kontakte zu dieser Stiftung zu haben. Sie wisse aber, dass diese Stiftung von Esra Albayrak und dem Erdoğan-Sohn Bilal Erdoğan geleitet wird. Die Erdoğan-Tochter Esra Albayrak ist die Ehefrau des Finanzministers Berat Albayrak. Berat Albayrak war bereits über die Firma Powertrans in den Verkauf von IS-Öl verwickelt.
Die Zeitung Birgün hatte am 29. Januar 2020 Dokumente veröffentlicht, welche die Veruntreuung von acht Millionen US-Dollar durch den Türkischen Roten Halbmond an die salafistische Ensar-Stiftung belegen. Das Geld an den Roten Halbmond spendeten die 2013 privatisierten Gasnetzbetreiber Başkentgaz in Ankara, jedoch unter der Auflage, es an die AKP-nahe Stiftung Ensar weiterzuleiten. Nach Auffassung von Birgün diente die Halbmond-Organisation als „Steuerschlupfloch“, um die Gelder an die Stiftung umzuleiten und die Spende absetzen zu können. Der Türkische Rote Halbmond erhielt für die Weiterleitung 75.000 US-Dollar in die eigene Kasse. Vor der Spende war Başkentgaz von der Torunlar-Holding, die sich im Besitz des Schulfreunds Erdoğans und AKP-Magnaten Aziz Torun befindet, gekauft worden.
Die Ensar-Stiftung ist in einen massiven Missbrauchsskandal in ihren Wohnheimen verwickelt. Ein 54-jähriger Lehrer wurde zu lebenslanger Haft verurteilt, weil er mindestens 45 Schüler*innen in Heimen von Ensar systematisch missbraucht hat. Die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen. Das AKP-Regime setzte alles daran, mögliche Fälle zu vertuschen. So erhält die Ensar-Stiftung nach wie vor lukrative Regierungsaufträge und kommunale Geldzuwendungen in Millionenhöhe. Die Familien- und Sozialministerin Sema Ramazanoğlu (AKP) versuchte den Missbrauch bei der Stiftung mit den Worten zu relativieren: „Dass es einmal zu einem solchen Vorfall kam, ist kein Grund, eine Einrichtung zu beschmutzen, die gute Dienste leistet.“ Auch der Türkische Rote Halbmond bezeichnet die islamistische Stiftung als „Wohltätigkeitsorganisation“.
„Hilfe für Nordsyrien, statt für korrupte Geldwäscheorganisation“
Ulla Jelpke kommentierte die Antwort der Bundesregierung deutlich: „Statt einer korrupten Geldwäscheorganisation der Familie Erdoğan Millionen zuzuschanzen, sollte die Bundesregierung endlich echte Hilfe für Flüchtlinge in Syrien leisten. In Nordsyrien leben hunderttausende syrische Binnenflüchtlinge in Flüchtlingslagern nicht zuletzt aufgrund türkischer Angriffe in größter Not. Daher muss der Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien endlich Hilfe geleistet werden. Es wäre fatal, wenn die Bundesregierung mit solchen Zahlungen dem Erdoğan-Regime für seine Politik der völkerrechtswidrigen Besetzung und Vertreibung in Nordsyrien den Rücken freihält.“