Brüssel: Protest gegen die Isolation von Abdullah Öcalan

Vor dem Europaparlament in Brüssel haben Kurd:innen und solidarische Menschen Kontakt zu Abdullah Öcalan und Informationen über seinen Zustand gefordert. Aufgerufen zu der Kundgebung hat die Frauenbewegung TJK-E.

Vor dem Europaparlament in Brüssel haben Kurd:innen und solidarische Menschen Kontakt zu Abdullah Öcalan gefordert. Zu der Kundgebung hatte die Kurdische Frauenbewegung in Europa (TJK-E) aufgerufen, als bekannt wurde, dass das Antifolterkomitee des Europarats (CPT) bei seiner letzten Inspektion von Haftzentren in der Türkei nicht mit Öcalan zusammengetroffen ist.

Die Demonstrant:innen forderten Aufklärung über den Besuch des CPT und Informationen über den Zustand des seit 1999 auf der Gefängnisinsel Imrali inhaftierten kurdischen Vordenkers. Viele Teilnehmende trugen Flaggen mit dem Bild von Abdullah Öcalan, vereinzelt waren auch PKK-Fahnen zu sehen.

Ayten Kaplan sprach in einer Rede im Namen der TJK-E von der Bedeutung Öcalans für das kurdische Volk und eine friedliche Lösung der kurdischen Frage und rief das Europaparlament zur Verantwortung. In einer weiteren Erklärung wurde über die Totalisolierung der Imrali-Gefangenen informiert.

Hintergrund: Kein Kontakt zu Imrali-Gefangenen

Abdullah Öcalan wurde am 15. Februar 1999 mit einem internationalen Coup aus Kenia in die Türkei verschleppt und wird mit seinen drei Mitgefangenen Ömer Hayri Konar, Hamili Yıldırım und Veysi Aktaş seit Jahren isoliert. Seit 2019 gilt auf Imrali wieder ein striktes Anwaltsverbot, der letzte Besuch des Verteidigungsteams von Öcalan fand im August 2019 statt. Konar, Yıldırım und Aktaş haben seit ihrer Verlegung in das Inselgefängnis 2015 noch nie von ihrem Recht auf anwaltliche Vertretung Gebrauch machen können.

CPT-Delegation inspiziert Imrali

Das Antifolterkomitee des Europarates (CPT) hat im September einen Ad-hoc-Besuch in der Türkei absolviert und am 3. Oktober eine Erklärung dazu abgegeben. In der Mitteilung hieß es, es seien die allgemeine Behandlung und Haftbedingungen der Imrali-Gefangenen überprüft worden mit dem Fokus auf Gemeinschaftsaktivitäten und Kontakten zu ihrer Außenwelt.

Erklärung der Anwaltskanzlei Asrin

Die Istanbuler Anwaltskanzlei Asrin, die Öcalan und seine Mitgefangenen juristisch vertritt, gab am 29. November bekannt, dass beim CPT-Besuch auf Imrali gar kein Kontakt mit Öcalan zustande kam. Ein persönliches Gespräch mit Vertretern des Gremiums habe die Bedenken um die Situation auf der Insel dann zusätzlich noch verstärkt, da selbst geringste Informationen über die Bedingungen der Imrali-Gefangenen verweigert wurden.

KCK fordert sofortige Aufklärung

Die Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK) hat das Antifolterkomitee am 5. Dezember aufgefordert, Klarheit in Bezug auf die Situation von Abdullah Öcalan zu schaffen. Die KCK wies in ihrer Erklärung erneut darauf hin, dass die Aufhebung der Isolation auf Imrali auch die Kanäle für eine Lösung der kurdischen Frage entsperren und damit eine Demokratisierung der Türkei einleiten könne.

Letztes Lebenszeichen im März 2021

Ein letztes Lebenszeichen aus Imrali gab es in Form eines Telefonats Öcalans mit seinem Bruder im März 2021, das aus unbekannten Gründen nach wenigen Minuten abbrach. Die Anwaltskanzlei Asrin stellt zwar regelmäßig Besuchsanträge, um ihre Mandanten zu sehen. Die türkischen Behörden lehnen diese Ersuchen jedoch ab oder ignorieren sie. Ähnlich verhält es sich bei Besuchsanträgen von Familienangehörigen. Als juristische Ummantelung für das Unrecht auf der Insel im Marmarameer dienen der türkischen Justiz in der Regel willkürlich verhängte „Disziplinarmaßnahmen“ gegen die Imrali-Gefangenen. Lange Zeit zogen die türkischen Behörden als Begründung für das Besuchsverbot des Anwaltsteams sogar die 2009 von Öcalan dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) vorgelegte „Roadmap für Verhandlungen“ heran.

Offener Rechtsbruch

Das Verbot von Anwaltsbesuchen im Imrali-Gefängnis verstößt offen gegen die 2015 aktualisierten Standard-Mindestregeln der Vereinten Nationen (UN) für die Behandlung von Gefangenen (Nelson-Mandela-Regeln), gegen die Empfehlungen des Antifolterkomitees des Europarats und gegen das türkische Vollzugsgesetz (Gesetz Nr. 5275). Staaten sind verpflichtet, die Ausübung der Rechte von Gefangenen und Verurteilten ohne Rücksicht auf ihre Identität oder die Qualität ihrer Strafe zu gewährleisten. Doch die türkische Justiz ist nicht gewillt, die menschenverachtenden Haftbedingungen auf Imrali zu korrigieren und hält an einer Behandlung nach Feindstrafrecht fest.