Bremer Parlament verurteilt türkischen Angriff
Das Bremer Landesparlament verurteilt den türkischen Angriff auf Rojava und solidarisiert sich mit der betroffenen Zivilbevölkerung.
Das Bremer Landesparlament verurteilt den türkischen Angriff auf Rojava und solidarisiert sich mit der betroffenen Zivilbevölkerung.
Gestern wurde in der Bremischen Bürgerschaft über den Dringlichkeitsantrag „Den Angriff der Türkei in Syrien sofort stoppen! Für ein friedliches Zusammenleben statt militärischer Gewalt“ debattiert und entschieden. Der Antrag wurde von den regierungsbildenden Fraktionen der SPD, Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKE in die Bürgerschaft eingebracht und in der Sitzung einstimmig verabschiedet. Bei der Parlamentssitzung war auch das Bündnis „Bremen für Rojava” anwesend. Es erklärt dazu:
Im Ergebnis der Sitzung verurteilt die Bremische Bürgerschaft geschlossen den türkischen Angriffskrieg als völkerrechtswidrig, fordert die türkische Regierung auf, das Militär sofort aus Nordsyrien abzuziehen und spricht sich für die Aufklärung möglicher Kriegsverbrechen durch die zuständigen Gremien der Vereinten Nationen aus.
Dr. Henrike Müller (Die Grünen) sagte: „Es ist von hoher Bedeutung, dass aus unserem Haus deutliche Worte zu vernehmen sind und wir diesen völkerrechtswidrigen Angriff auf Nordsyrien unmissverständlich verurteilen und die türkische Regierung mit Nachdruck auffordern, das Militär sofort abzuziehen. Solche deutlichen Worte dürfen wir eigentlich auch von unserer Bundesregierung erwarten. Allein die Tatsache, dass wir uns durch die Zusammenarbeit mit der Türkei im Rahmen der Asylpolitik der letzten Jahre erpressbar gemacht haben, erklärt das unüberhörbare Schweigen der Bundesregierung."
Aber was auf den ersten Blick als Erfolg daher kommt, kann maximal ein erster Schritt sein. Denn der Antrag kommt über Symbolpolitik nicht hinaus und weist erhebliche Mängel und Schwächen auf.
Der Name Rojava wird im gesamten Antrag nicht einmal genannt und somit wird die Legitimität der Demokratischen Konföderation infragegestellt. Die zentrale Rolle der Selbstverteidigungskräfte YPG/YPJ im Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat wird verschwiegen und unsichtbar gemacht, wenn es heißt, die Bremer Bürgerschaft danke der internationalen Koalition für den Kampf gegen den Islamischen Staat. Und nicht zuletzt fehlen jegliche Forderungen nach ernsthaften Sanktionen gegenüber der Türkei oder Maßnahmen zur Verbesserung der humanitären Lage vor Ort.
Auch in ihren Debattenbeiträgen haben sich die Abgeordneten um eine klare Positionierung gedrückt. Die Angst vor dem öffentlichen Zuspruch und der Anerkennung der Selbstverteidigungskräfte YPG und YPJ zeigt sich in einer Äußerung von Antje Grotheer (SPD): „Wir als Bremerinnen und Bremer stellen uns an die Seite aller demokratischen Kräfte, die ein Ende des Konflikts und einen Rückzug der türkischen Armee aus Nordsyrien fordern." Eine konkrete Benennung der demokratischen Kräfte blieb aus.
In der Debatte wurde die Situation in Nordsyrien als „undurchsichtig und komplex“ bezeichnet, die nicht einfach zu verstehen sei: Eine unfassbare Begründung für die eigene Tatenlosigkeit. Im Verlauf der Sitzung wurde immer wieder angemahnt, dass sich der Konflikt nicht auf Bremen übertragen dürfe, was letztlich Angreifer*innen und Angegriffene auf dieselbe Stufe stellt und die Menschen in Rojava verhöhnt.
Allein Cindi Tuncel, Abgeordneter der Fraktion DIE LINKE, hielt ein kämpferisches Plädoyer für die Demokratische Konföderation Nordsyrien: „Rojava ist beispielhaft für die ganze Welt, vor allem für den Nahen Osten. Da herrscht Gleichberechtigung. Da dürfen alle Religionen frei ausgeübt werden. Da dürfen Menschen frei wählen. Da sind Frauen gleichberechtigt. Und deshalb ist es wichtig, dass wir für Rojava kämpfen. [...] Wir sind Demokraten und ich bin der Meinung, dass es die Demokratie in Rojava verdient hat, unterstützt zu werden."
Wie erwartet meldete sich während der Debatte auch der CDU-Abgeordnete Dr. Oğuzhan Yazıcı, der mit der UETD in Beziehung steht und sowohl im Umfeld von DiTiB- als auch ATIB-Moscheen agiert, zu Wort. Ihm wird die Erklärung der Bürgerschaft nicht gefallen. Viel mehr als eine provozierende Frage an den Redner der Linkspartei blieb ihm jedoch nicht: „Geht es gegen ‚Die Kurden‘ in Nordsyrien oder ist der Angriff gerichtet gegen eine Organisation, die von Amerika beispielsweise als eine Schwesterorganisation der terroristischen PKK eingestuft wird? Sind Sie mit mir einer Meinung, dass die YPG und YPJ ebenfalls eine Schwesterorganisation der PKK ist?"
Tuncel antwortete souverän auf die Provokation: „Ich sehe die YPG/YPJ nicht als Terroristen. Ich sehe sie als Unterstützer und Befreier des Volkes in Rojava. Und die Amerikaner haben das nicht so gemacht. Die Amerikaner haben lange gemeinsam mit der YPG/YPJ gekämpft und wie gesagt, 11.000 Kämpferinnen und Kämpfer der YPG und YPJ haben ihr Leben verloren am Boden gegen den IS. Der IS bekämpft unsere gesamte Welt und die Kurden haben diese verteidigt. Deshalb sind das die Verteidiger der Demokratie."
Des Weiteren stellte Tuncel fest, dass es keine Waffenruhe gibt, dass täglich Menschen sterben und Zivilist*innen getötet und verletzt werden. Und genau deshalb gehen wir seit Wochen auf die Straße und machen die Situation in Nordsyrien auch hier sichtbar.
Die Tatsache, dass sich die Bremer Bürgerschaft gezwungen sah, eine Erklärung zum Thema abzugeben, ist sicher auch den breiten Protesten und dem Druck der Zivilgesellschaft geschuldet. Denn erst vor zwei Wochen waren in Bremen auf einem Sternmarsch unseres Bündnisses mehr als 2000 Menschen auf der Straße. Und auch diesen Samstag, am 23. November, werden wir gemeinsam ab 14 Uhr vor dem Bremer Hauptbahnhof demonstrieren.